Zu besprechen gibt es genug. Im Vordergrund stehen die Bemühungen, den Schienennahverkehr zwischen Brandenburg und der Woiwodschaft Lubuskie, dem polnischen Verwaltungsbezirk mit dem längsten gemeinsamen Grenzabschnitt zum VBB, spürbar auszubauen. Bei den Verbindungen nach Wrocław (Breslau) arbeitet der VBB auch mit Niederschlesien und in Richtung Szczecin (Stettin) mit Westpommern zusammen.
Vorrangiges Projekt ist derzeit die Stärkung der bereits mit der RB 66 bedienten Bahnverbindung von Berlin in die Hafenstadt Szczecin. Die Strecke ab Angermünde wird zurzeit vollständig zweigleisig für Tempo 160 ausgebaut und elektrifiziert. Voraussichtlich ab Dezember 2026 wird die Reisezeit zwischen Berlin und Szczecin um 20 Minuten auf nur noch anderthalb Stunden schrumpfen und die neue Linie RE 9 im Zweistundentakt mit neuen Fahrzeugen unterwegs sein. Zwischen Angermünde und Szczecin wird das Angebot durch die RB 66 verdichtet.
Auch bei der heute eingleisigen Strecke von Berlin nach Küstrin-Kietz setzen sich die Bundesländer Berlin und Brandenburg und der VBB für den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung ein. Ute Bonde: „Der Deutsche Bundestag hat die Idee bereits aufgegriffen und die Strecke Ende 2023 in den Bedarfsplan Schiene aufgenommen. Wir versprechen uns davon ein deutlich verbessertes Regionalzugangebot zwischen Berlin und Küstrin und bis zur Großstadt Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe). Hier wird eine leistungsfähige Bahnverbindung zwischen Deutschland und Polen zur Entlastung der Hauptstrecke über Frankfurt (Oder) für den wachsenden Personenfernverkehr und Güterverkehr gebraucht. Ein erster bedeutender Schritt ist getan, wenn in diesem Jahr die neue Oderbrücke zwischen Küstrin-Kietz und Kostrzyn fertiggestellt ist. Dann können auch die Züge der RB 26 wieder stündlich über die Brücke fahren.“ Das alte Bauwerk war nur noch für 30 Stundenkilometer zugelassen. Ergänzend dazu wird auf polnischer Seite der Ausbau und die Elektrifizierung des anschließenden Streckenabschnittes nach Krzyż vorbereitet. Diese Strecke spielt auch für die perspektivisch zu erwartende Verbindung zwischen dem in Planung befindlichen polnischen Hochgeschwindigkeitsnetz und dem deutschen Netz eine wichtige Rolle.
Pro Tag 100 Verbindungen über die Grenze
Auch weiter südlich gibt es regelmäßige Direktverbindungen im Regionalverkehr zwischen Brandenburg und Polen: von Frankfurt (Oder) mit der RB 91 und von Cottbus aus mit der RB 93 über Forst (Lausitz) nach Zagań (Sagan) sowie seit dem letzten Fahrplanwechsel mit der RB 92 über Guben nach Zielona Góra (Grünberg in Schlesien). Die VBB-Chefin: „Wir fahren also schon in fünf Korridoren über unsere 280 Kilometer lange gemeinsame Grenze und kommen aktuell auf gut 100 grenzüberschreitende Verbindungen pro Tag.“ Es sollen noch mehr werden. Im gemeinsamen, von der EU geförderten Regionalprojekt „RailBLu“ wurden perspektivisch für alle Strecken zwischen Brandenburg und Lubuskie regelmäßige SPNV-Takt-Verbindungen neu konzipiert und somit eine Grundlage für die weitere Entwicklung der grenzüberschreitenden Verkehre erarbeitet. Das „B” im Projektnamen steht für Brandenburg, das „Lu” für Lubuskie. Die Untersuchungen haben gezeigt: Es gibt ein Potenzial von ungefähr 5.500 Reisenden mehr pro Tag über die Oder und Neiße hinweg.
Nicht immer geht es um Wirtschaft und Pendlerströme, auch der Ausflugsverkehr lockt die polnischen und deutschen Nachbarn zu Besuchen jenseits der Grenze. Zu den Highlights im Ausflugsverkehr gehört der „Kulturzug”. Er verbindet Berlin und Wrocław mit attraktiven Stopps in Deutschland und in Polen in gut vier Stunden Fahrzeit. Unterwegs gibt es ein zweisprachiges Kulturprogramm mit Lesungen, Konzerten, Karaoke bis hin zur Clubnacht. Am Ziel lockt eine vielseitige Stadt. Über hundert Mal ist der Kulturzug im letzten Jahr gefahren, und das soll er auch in diesem Jahr wieder erreichen. Fahrscheine gibt es wie auch für das alltägliche Regionalbahnangebot über die Grenzen hinweg bereits seit Längerem ganz einfach aus den VBB-Ticketautomaten. Darüber hinaus sind dank des Projekts „RailBLu“ inzwischen auch VBB-Fahrscheine für ausgewählte Relationen mit dem Ziel Gorzów Wielkopolski oder Zielona Góra in der mobilen App „DB Navigator“ erhältlich.
Euro-Neiße-Ticket+ schafft Verbindungen
Über die Neiße funktioniert der kleine Grenzverkehr im ÖPNV auch an Sachsens Grenze mit Polen, genauso wie durch die Wälder und Gebirge nach Tschechien. Im östlichen Landkreis Bautzen und im Kreis Görlitz hat der Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz Niederschlesien (ZVON) gemeinsam mit den Partnern in den Nachbarländern auf Schiene und Straße vielfältige Verbindungen geschaffen, die den Fahrgästen die typischen Vorzüge eines Verkehrsverbundes gewissermaßen grenzenlos verschaffen. Trotz der unterschiedlichen Sprachen und Währungen gibt es ÖPNV-Linien mit Bus und Bahn von einem Land ins andere und vor allem Tickets, die beiderseits gelten. „Die Kooperation mit den benachbarten Aufgabenträgern in den beiden Nachbarländern und die Gestaltung grenzüberschreitender ÖPNV-Angebote im Dreiländereck der Euroregion Neiße ist für uns eine wichtige Aufgabe über das klassische Verbundgeschäft hinaus“, sagt Geschäftsführer Christoph Mehnert. Dreh- und Angelpunkt ist das „Euro-Neiße-Ticket+“: Es steht für die Möglichkeit, nicht nur im ZVON-Gebiet beliebig viele Fahrten im ÖPNV mit Bus, Bahn oder Tram zu unternehmen, sondern auch auf vielen Linien in den grenznahen Regionen der beiden benachbarten Länder. Mit Görlitz und Zittau als geografischen Mittelpunkten umfasst das Hauptnetz die Region von Weißwasser in der Oberlausitz im Norden bis südlich von Česká Lípa (Leipa) in Böhmen und in der Ost-West-Ausdehnung von kurz vor Dresden bis Jelenia Góra (Hirschberg) am Fuß des Riesengebirges. Gezielt setzt die Dreiländer-Region auf den Tourismus. Das Plus verspricht Vergünstigungen beim Besuch von Schlössern, Museen und Bädern beispielsweise, wenn das Ticket zur Anreise genutzt und vorgelegt wird.
In der Euro-Neiße-Region spielt der Eisenbahngrenzübergang Görlitz – Zgorzelec (Görlitz) eine wichtige Rolle: Auf polnischer Seite ist die Strecke aus Wrocław bis Zgorzelec, knapp einen Kilometer östlich von Görlitz, seit einigen Jahren elektrifiziert. Inzwischen wurde entschieden, den Fahrdraht bis voraussichtlich 2028 nach Görlitz zu verlängern. Görlitz wird dann Wendepunkt der Triebzüge aus Wrocław sein. Zur dringend notwendigen Elektrifizierung zwischen Görlitz und Dresden gibt es noch keinen belastbaren Zeitplan.
Nationalparkbahn: Beispiel guter Nachbarschaft
Ein weiteres Beispiel für eine nicht alltägliche grenzüberschreitende Kooperation auf der Schiene gibt es ein paar Kilometer weiter westlich vom ZVON. Durch den Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) fährt die „U 28“. Keine Untergrundbahn, sondern eine Linie vom Regionalnetz des böhmischen Bezirks Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe). Auf ihrer Strecke von Rumburk im äußersten Norden Tschechiens nach Děčín (Tetschen) macht sie im Zweistundentakt einen kurzen Abstecher nach Sachsen über Sebitz und Bad Schandau, dann geht es Elbe aufwärts wieder über die Grenze. Die „Nationalparkbahn“ ist ein Beispiel guter Nachbarschaft in den Wanderregionen der Sächsischen und der Böhmischen Schweiz. DB Regio stellt rote Desiro-Triebwagen, gefahren werden sie von tschechischem Personal. Die Währung für den Ticketkauf an Bord: Euro oder Kronen. Die U 28 ist in den Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) integriert, und es gibt ein U 28-Ticket, gültig auf der ganzen, 65 Kilometer langen Linie.
Auch an der Ostsee trennt die Grenze zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Polen schon lange nicht mehr. Seit 2008 fährt die Usedomer Bäderbahn (UBB) hinüber nach Swinemünde zur Endstation Świnoujście Centrum. Eigentümer des kurzen Abschnitts von der Grenze hinter Ahlbeck ist die Tochter UBB Polska. Gefahren wird auf der Schiene ohne Verbindung zum polnischen Netz nach deutscher Eisenbahnbetriebsordnung, Tickets gibt es zu den üblichen Bäderbahn-Tarifen. Auch das Deutschland-Ticket gilt hier über die Grenze hinaus.