Autonomes Fahren
nimmt einen neuen Anlauf
Es war zuletzt etwas ruhiger geworden um das Thema. Doch mit dem neuen Gesetz zum Autonomen Fahren kehrt die Dynamik in den Zukunftsmarkt zurück. Hersteller und Verkehrsunternehmen haben nun Rechtssicherheit und wollen rasch in den Regelbetrieb gehen. Mehrere Anbieter kündigten bereits an, in den kommenden Jahren fahrerlos im städtischen Verkehr unterwegs sein zu wollen.
Weniger Unfälle, weniger Staus, weniger Abgase. Stattdessen mehr Lebensqualität und Mobilität für Stadt und Land. Diese Erwartungen werden an fahrerlose Verkehrssysteme geknüpft. Mit dem neuen Gesetz zum Autonomen Fahren hat Deutschland die Chance, einen Leitmarkt in diesem Segment zu etablieren – wenn es gelingt, ein flächendeckendes Angebot schnell umzusetzen. „Der neue Rechtsrahmen ist ein Meilenstein für die Branche, die das Thema in den letzten Jahren intensiv vorangetrieben hat“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann. Der VDV hatte das Gesetzgebungsverfahren mit zahlreichen Stellungnahmen, Positionspapieren und Rechtsgutachten eng begleitet und war als Branchenverband auch vom Verkehrsausschuss des Bundestags zu einer Anhörung eingeladen worden. Für die konkrete Umsetzung des bereits beschlossenen Gesetzes sei es jedoch notwendig, so Ingo Wortmann, auch die Durchführungsverordnung noch in dieser Legislatur zu verabschieden. Das wird allerdings knapp: Eine aktualisierte Fassung liegt derzeit zur Notifizierung bei der EU-Kommission. Damit gilt für Deutschland eine dreimonatige Stillhaltefrist. Das heißt: Die Verordnung könnte frühestens Mitte September in Kraft treten.
Vielerorts arbeiten Verkehrsunternehmen schon seit Längerem daran, automatisierte Shuttles in ihre Angebote zu integrieren. Führend sind die Bahnen der Stadt Monheim (BSM), die den weltweit ersten Linienbetrieb auf die Straße gebracht haben. „Selbstfahrende, flexible Linien- und Pendelbusse sind eine große Chance für den Ausbau des klimafreundlichen ÖPNV-Angebots gerade da, wo es heute noch stärker sein könnte: in Stadtrandlagen oder im ländlichen Raum“, erklärt Ingo Wortmann. Die Automatisierung bringt eine Entlastung bei den Kosten mit sich – das kann innovative Geschäftsmodelle attraktiver machen und neuen Linienbedarfsverkehren zum Durchbruch verhelfen. „Wir sind als Branche gefordert, jetzt zügig zur Umsetzung zu kommen“, sagte Emanuele Leonetti, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim VDV, auf dem VDV-Zukunftskongress „Autonomes Fahren im Öffentlichen Verkehr“. Teilnehmende aus dem In- und Ausland tauschten sich dabei über ihre Pilotprojekte, Strategien und nächsten Schritte digital aus.
Nicht nur beim Rechtsrahmen hat sich viel getan. „Die Technik wird leichter, kleiner und kostensparender“, fasste Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik beim VDV, die Entwicklung der Fahrzeuge zusammen: „Zudem können sie dank verfeinerter Sensoren und Software ihr Umfeld immer besser erkennen.“ Die Mini-Busse werden allmählich schneller. Während sie derzeit mit etwa 20 Stundenkilometer rollen, können die ersten bald mit Tempo 50 unterwegs sein. Martin Schmitz unterstrich auf dem Zukunftskongress aber auch die Position des VDV, dass Autonomes Fahren keine Arbeitsplätze gefährden soll. „Vielmehr sehen wir einen Vorteil darin, dass wir den Service für unsere Kundinnen und Kunden auf der ersten und letzten Meile erweitern können.“ Also: Autonomes Fahren als Zubringer zur nächsten, wenige hundert Meter entfernten Haltestelle und somit als direkter Konkurrent zum eigenen Auto vor der Haustür. Weitere Einsatzmöglichkeiten bestehen im Schienenverkehr mit Straßen-, S- und U-Bahnen sowie auf Betriebshöfen, wo beispielsweise E-Busse selbstständig ihren Weg zu den Ladestationen finden.
„Wir bemerken einen neuen Aufbruch“, fasste Moderator Dr. Till Ackermann den VDV-Zukunftskongress zusammen: „Wir kommen möglicherweise schneller zum fahrerlosen Fahren, als es noch vor zwei Jahren abzusehen war.“ Verschiedene Kongress-Redner aus der Industrie und von Technologiefirmen hatten angekündigt, schon vor 2025 in deutschen Großstädten kommerzielle Angebote als Shuttles oder gebündelte Verkehre zu testen. Solche Fahrzeuge sollen dann auch den Verkehrsunternehmen zur Verfügung stehen. „Dass eine Flottenförderung notwendig ist, um dem Öffentlichen Verkehr diese Technologie zugänglich zu machen, ist naheliegend und wäre sachgerecht“, mahnte Till Ackermann, der beim VDV den Fachbereich für Volkswirtschaft und Business Development leitet, die notwendige Integration des Autonomen Fahrens in den Öffentlichen Verkehr an – damit die Shuttles am Ende nicht fahrerlos im Stau stehen.