Das Versprechen an Fahrgäste und Personal:

Sicher unterwegs mit Bus und Bahn

Zur Bilanz der Fußball-Europameisterschaft zählt die positive Erkenntnis, dass der ÖPNV hunderttausende Fußballfans zuverlässig und klimafreundlich quer durch Deutschland zu Stadien und Fanmeilen befördert hat. Nicht nur unfallfrei, sondern jeden Einzelnen mit persönlicher Sicherheit. Dahinter stand die gut abgestimmte Kooperation zahlreicher Institutionen weit über die Verkehrsunternehmen hinaus. Diese Zusammenarbeit ist auch im Alltag unerlässlich.

Sicherheit ist ein wesentliches Produktversprechen an die Fahrgäste. Wird es nicht oder nur eingeschränkt eingehalten, werden verkehrliche Alternativen gewählt oder Fahrten gar nicht erst angetreten.

Rainer Cohrs
Leiter Konzernsecurity der Stadtwerke München und Geschäftsführer der Münchner U-Bahn-Bewachungsgesellschaft


VDV-Präsident Ingo Wortmann, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft, war zufrieden: „Wir haben über vier Wochen ein wunderbares Fußballfest genießen können. Dank der guten Zusammenarbeit mit den Städten, Krisenstäben, Landes- und Bundespolizeien haben wir das Allerwichtigste geschafft: Sicherheit für die Fahrgäste.“ Im Vorfeld der EM sei viel über Sicherheitsrisiken während des Turniers gesprochen worden: „Wir haben uns auf die Szenarien vorbereitet – und eng mit den Sicherheitsbehörden und Kommunen abgestimmt.“ Deutlich gezeigt habe sich aber, dass das Thema Sicherheit auch über Großereignisse hinaus eine „Gemeinschaftsaufgabe“ sei. Ingo Wortmann: „Nur durch eine enge Kooperation aller Akteure – von der Politik über die Polizei bis hin zu sozialen Einrichtungen – können wir ein sicheres und vertrauensvolles Umfeld schaffen.“



Sicherheit im öffentlichen Personenverkehr – für Fachleute verbergen sich hinter dieser Verpflichtung zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen ist das die Betriebssicherheit: Busse und Bahnen müssen unfallfrei fahren und technisch in einem einwandfreien Zustand sein, der Pannen oder gar Unglücke nach menschlichem Ermessen ausschließt. Diese auch als Verkehrssicherheit bezeichnete Aufgabe des öffentlichen Personenverkehrs ist durch eine Vielzahl von Regeln und Verfahren und deren fachliche Überwachung gewährleistet. Es ist das, was in der Expertensprache mit dem englischen Begriff „Safety“ beschrieben wird.

Aufgabenteilung für das Sicherheitsversprechen

Sicherheit ist eine Gemeinschafts- und Querschnitts­aufgabe unterschiedlicher Akteure. Um die Sicherheit zu verbessern, sollten die Maßnahmen daher einem allgemeinen Ansatz folgen, der von vielen Akteuren gemeinsam getragen wird. Gefragt sind hier die verschiedenen Organisationen mit ihren jeweiligen Rollen, Expertisen und Möglichkeiten.

  • Die Politik muss den gesamtgesellschaftlichen ­Konsens und einen zivilen öffentlichen Diskurs fördern – und bei Bedarf die nötigen Finanzmittel für sicherheitsfördernde Maßnahmen zur Verfügung stellen.
  • Polizeien und Ordnungsbehörden müssen Regelverstöße verhindern und Straftäter verfolgen.
  • Staatsanwaltschaft und Gerichte haben Regelverstöße und Straftaten zu sanktionieren.
  • Sozialbehörden und karitative Organisationen haben die Aufgabe, Verelendungstendenzen entgegenzuwirken und Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten zu helfen.
  • Kommunen sollten auch sozial Benachteiligten geeignete Flächen im öffentlichen Raum zur Verfügung stellen.
  • Die Verkehrsbranche sieht sich in der Pflicht, Stationen und Fahrzeuge mit hoher Aufenthaltsqualität zur Verfügung zu stellen, Präsenz zu zeigen, Meldemöglichkeiten für Vorfälle und Hilfebedarfe zu schaffen und Fahrgäste, die sich nicht an Regeln halten, zu ermahnen, zu belehren und zu verweisen.

Daneben steht der andere Aspekt – die persönliche Sicherheit eines jeden einzelnen Menschen, der mit Bus oder Bahn unterwegs ist, ganz gleich ob Fahrgast oder Personal des Verkehrsbetriebes. Es geht etwa um den Schutz vor Belästigungen, Bedrohungen oder Gewalt. Für die Entscheidung für oder gegen Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln macht es dabei oft keinen Unterschied, ob die Gefahr tatsächlich vorhanden ist („objektive Sicherheit“) oder lediglich befürchtet wird („subjektive Sicherheit“). „Sicherheit ist ein wesentliches Produktversprechen an die Fahrgäste. Wird dieses Produktversprechen nicht oder nur eingeschränkt eingehalten, werden verkehrliche Alternativen gewählt oder Fahrten gar nicht erst angetreten. Und das mit allen negativen Folgen für die Klimaschutzpolitik und genauso natürlich für die Fahrgeldeinnahmen“, beschreibt es Rainer Cohrs. Das Produktversprechen gelte genauso für die Beschäftigten. Fahr- und Zugbegleitpersonal, Fahrausweisprüfpersonal, Service- und Sicherheitspersonal müsse vor Übergriffen geschützt werden, betont der langjährig erfahrene Leiter Konzernsecurity der Stadtwerke München und Geschäftsführer der Münchner U-Bahn-Bewachungsgesellschaft. Werde das Sicherheitsversprechen gegenüber den Mitarbeitenden nicht überwiegend eingehalten, wirke sich das auf die Personalrekrutierung und -bindung aus: „Die ohnehin schwierige Lage im Personalbereich selbst und auf dem Arbeitnehmermarkt droht sich weiter zu verschärfen.“

Intensiv mit dem Thema Sicherheit befasst

Unter der Leitung von Rainer Cohrs hat sich ein Gremium von Nahverkehrsexperten des VDV in der ersten Jahreshälfte noch vor der Fußball-EM mit dem Sicherheitsversprechen intensiv befasst. Das Ergebnis ist das VDV-Positionspapier „Sicherheit (Security) im öffentlichen Personenverkehr – Fakten, Mythen und Handlungsbedarf von Branche und Politik“. Das Positionspapier stellt zunächst fest, dass der ÖPNV als Tatort im öffentlichen Raum eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. Das ist nach Rainer Cohrs’ Einschätzung auch darauf zurückzuführen, dass in Bussen und Bahnen generell Fahr- und teilweise Sicherheits- und Servicepersonal anwesend ist. Vielfach seien Bahnhöfe, Stadt- und U-Bahn-Haltestellen sowie Schienen- wie Straßenfahrzeuge auch videoüberwacht.

Gelöste EM-Stimmung trifft Service: ein Portugal-Fan mit einem Bogestra-Mitarbeiter (Foto l.)
Präsenz zeigen: Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften sind laut VDV ein guter Weg, um das Sicherheitsgefühl zu stärken und die objektive Sicherheit zu erhöhen (Foto r.).

Gewalt gegen Mitarbeitende ist ein Problem

Problematischer sei Gewalt gegen Mitarbeitende im ÖPNV. Statistisch würden jährlich 123 solcher Fälle pro 1.000 Beschäftigte gemeldet, wobei 41 Prozent der Befragten angaben, davon mindestens einmal im Jahr betroffen zu sein. „Hauptsächlich handelt es sich um verbale Gewalt, physische Übergriffe sind deutlich seltener“, heißt es in dem Papier. Es sei der Schluss zulässig, dass es im Bereich des ÖPNV „eine deutliche Diskrepanz zwischen dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Fahrgäste und der objektiven Kriminalitätsbelastung“ gebe. Gleichwohl ist die Gefahr, beleidigt, angefeindet oder körperlich angegriffen zu werden, für Beschäftigte im Verkehrsbereich sehr präsent. So halten 95 Prozent der Beschäftigten laut einer Umfrage den Schutz des Personals für wichtig oder sehr wichtig. „Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir unser Personal besser schützen”, betont VDV-Präsident Ingo Wortmann. Übergriffe auf Mitarbeitende sowie Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in den Einrichtungen des ÖPNV müssten konsequent geahndet und solchen gegenüber der Feuerwehr oder der Polizei gleichgestellt werden.

Das Positionspapier „Sicherheit (Security)

im öffentlichen Personenverkehr“ steht zum Download unter:

www.vdv.de/positionen

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