ATO in den Stadtbahntunneln, intelligente Infrastruktur im oberirdischen Straßenverkehr: In Frankfurt am Main muss für den digitalen ÖPNV beides zusammen funktionieren. Wie in anderen deutschen Stadtbahnstädten fahren die Bahnen in der Mainmetropole nur im Zentrum als U-Bahn unterirdisch. Schon in den Randbezirken tauchen sie aber auf und müssen dann als Stadtbahn in den Stadtverkehr eingebettet werden. „Es geht um die Symbiose zweier komplexer digitaler Systeme für den ÖPNV. Da sind wir nach unserem Kenntnisstand wohl weltweit die ersten“, stellt Christian Schmidt, Fachbereichsleiter Systemtechnik bei der VGF, fest. Die Problematik ist einfach beschrieben. ATO im Tunnel sorgt dafür, dass mehr Bahnen dort unterwegs sein können als heute. Also muss sichergestellt sein, dass die Züge beim Auftauchen aus dem Tunnel schnell in den Straßenverkehr übergehen. Allein auf der B-Strecke, dem gemeinsamen unterirdischen Anteil der Linien U4 und U5 zwischen Hauptbahnhof und Konstablerwache, wird eine Steigerung in den Hauptverkehrszeiten von 24 auf 30 Bahnen pro Stunde möglich sein.
Realisiert wird das durch die CBTC-Technologie (Communication Based Train Control System), die neue digitale Zugsicherungstechnik für den Zugbetrieb im Untergrund. Während die U-Bahnen heute noch ganz klassisch im Tunnel von Blockabschnitt zu Blockabschnitt fahren und durch Signale gesteuert werden, kann CBTC fließende Sicherheitsabstände von einem Zug zum anderen berechnen. Die Züge fahren dann in einer Art wanderndem Block („Moving Block“) mit der Konsequenz, dass die Streckenkapazität deutlich steigt.
Oberirdisch muss ein anderes System für Ordnung sorgen: C-ITS, das „Cooperative Intelligent Transport System“. Dahinter verbirgt sich komplexe und vernetzte Kommunikationstechnologie zur Steuerung der Verkehrsteilnehmenden. Und dazu gehört ein sinnvolles Miteinander des Individualverkehrs von Autos, Zweirädern und Gehenden einerseits und Bussen und Bahnen andererseits.
Aus der Sicht des Verkehrsunternehmens VGF geht es darum, den ÖPNV, insbesondere die Straßen- und U-Bahnen, zum Beispiel über Fahrerassistenzsysteme oder Vorrangschaltungen bei den Ampelanlagen, zu optimieren. „Das können wir nicht alleine, dazu brauchen wir die Partnerschaft des Straßenverkehrsamtes“, weiß Christian Schmidt: „Ziel ist eine verkehrsträgerübergreifende digitale Kommunikation, um ÖPNV und Individualverkehr zu vernetzen und die Verkehrsflüsse zu optimieren.“ Ein anvisiertes „multimodales Reallabor“ auf einem fünf Kilometer langen oberirdischen Abschnitt der U5 zeigt die Komplexität allein dieser Aufgabenstellung: Für die Gemeinsamkeit der Verkehrsteilnehmer müssen elf Haltestellen und neun stärker frequentierte Kreuzungen für den Datenfluss hergerichtet werden.
Mobilitätswende im öffentlichen Raum: ein Feld voller Spannungen
Dresden, Hamburg und Frankfurt zeigen exemplarisch: Der digitale Zukunftskurs der Verkehrsunternehmen ist eingeschlagen, die technischen Möglichkeiten werden weiter optimiert. Sie müssen aber auch so eingesetzt werden, dass sich Busse und Bahnen für die Fahrgäste verlässlicher und für die Verkehrsunternehmen wirtschaftlicher durch die Städte bewegen können. Die Mobilitätswende zeigt sich hierbei im öffentlichen Raum als ein Feld voller Spannungen – wie können Störungen durch andere Verkehrsteilnehmende minimiert werden? Unter anderem um diese Fragen ging es beim 7. VDV-Beschleunigungsseminar in Karlsruhe, wo Verkehrstechnik, -organisation und -politik im Zusammenspiel diskutiert wurden. Innerstädtische Verkehrsflächen sind knapp, der zunehmende Radverkehr beansprucht neue und sicherere Wege, der umweltfreundliche ÖPNV muss ebenfalls zu seinem Recht kommen. Zudem fehlt es der Politik vielerorts an Mut und Willen, die Verkehrswende im öffentlichen Raum konsequent voranzutreiben. Das bedeutet: Flächen, die bislang dem Autoverkehr als Fahrbahnen und Parkplätze zur Verfügung stehen, im Sinne von Klimaschutz und Mobilitätswende dem ÖPNV, Radfahrenden sowie Gehenden zur Verfügung zu stellen. Während des VDV-Beschleunigungsseminars wurde deutlich: Mischverkehre, bei denen Busse und Bahnen mit anderen Verkehrsteilnehmenden auf den gleichen Flächen unterwegs sind, liegen bei der Stadtplanung im Trend – nicht ohne Konfliktpotenzial. „Bei der Transformation der Städte und der Mobilität darf der Umweltverbund nicht auseinanderdividiert werden“, betont Dr. Volker Deutsch, beim VDV Fachbereichsleiter für Integrierte Verkehrsplanung. Aber es geht nicht nur um Flächen, sondern auch um Zeit. Busse und Bahnen sollten gegenüber dem Individualverkehr Vorrang haben – intelligente Schaltung von Lichtsignalanlagen zugunsten von Bus und Bahn bleiben hier das A und O.
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