Autos fahren mühelos über jede offene Staatsgrenze. Bahnen haben da schon eher Probleme. Historisch bedingt, sind die technischen Systeme des Schienenverkehrs häufig national gewachsen. So gibt es variantenreich nicht kompatible Stromsysteme und von Land zu Land unterschiedliche Leit- und Sicherungstechnik. Und ein grenzüberschreitender Zug scheitert manchmal schon an verschiedenen Bahnsteighöhen oder beispielsweise an einem im Nachbarland eng bemessenen Lichtraumprofil, das das Überqueren von Brücken oder Durchfahren von Tunneln unmöglich macht. Solche Hemmnisse zu überwinden, ist aufwendig und teuer. So ist internationaler Hochgeschwindigkeitsverkehr und auch grenzüberschreitender Güterverkehr oft nur möglich dank Triebfahrzeugen mit kostspieliger Mehrsystemtechnik an Bord.
Interoperabilität im Bahnverkehr herzustellen, ist seit Langem ein ambitioniertes wie komplexes Anliegen der EU. Um Zugbeeinflussungssysteme und Signale zu vereinheitlichen, soll ETCS – das European Train Control System – an die Stelle der nationalen Techniken treten. Doch die Einführung zieht sich über Jahrzehnte hin, denn sie ist mit hohen Kosten verbunden. Beispielsweise verkennen die Haushälter im Deutschen Bundestag oftmals, dass ETCS neben den Investitionen in die Streckeninfrastruktur zusätzlich teure Installationen in Lokomotiven und Triebzügen notwendig macht – eine Aufgabe, die Bahnbetreiber finanziell überfordert. So sind in Deutschland über 14.000 Lokomotiven und Triebzüge mit ETCS-Onboard Units auszustatten. Der Aufwand geht in die Milliarden. Bezogen auf ein Fahrzeug sind eine halbe bis fünf Millionen Euro für die Umrüstung erforderlich. Das übersteigt in manchen Fällen den Restbuchwert in Betrieb befindlicher Fahrzeuge deutlich. Somit ist hier eine öffentliche Förderung nötig.
Standards ersetzen nationale Technik
Die mühselige Vielfalt der Bahntechnik wird in den kommenden Jahren mehr und mehr verschwinden. Grund dafür sind die von der Union entwickelten „Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität“ (TSI). Sie legen für jedes Teilsystem der Bahntechnik Standards fest, und sie werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Damit verdrängen sie nach und nach nationale technische Lösungen.
Hoffnungsträger für mehr Wirtschaftlichkeit und Schnelligkeit im Schienengüterverkehr ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK). Das System bewährt sich in Probeläufen und internationalen Testfahrten. Das Problem: Die neue Kupplung ist mit der alten Schraubenkupplung nicht kompatibel. Das bedeutet, sie muss europaweit flächendeckend eingeführt werden, um die Freizügigkeit des internationalen Wagenparks zu erhalten. Ein gewaltiger Kostenfaktor: Es gibt fast eine halbe Million Güterwagen, die Umrüstung kostet laut Branchenschätzungen mindestens etwa 17.000 Euro pro Waggon. Die Bahnen in der EU blicken deshalb nach Brüssel. Doch ist es nach Einschätzung des dortigen VDV-Büros unwahrscheinlich, dass die EU diese Investition allein aus ihrem Haushalt übernehmen kann.