Im Güterverkehr erscheint es ganz einfach: hier die Lkw-Maut, dort die Schienenmaut, also der Trassenpreis – ein redliches Miteinander in Markt und Wettbewerb. Doch Trassenpreise sind auch im Personenverkehr der Bahnen ein immer drückenderer Kostenfaktor. Eingeführt mit der Bahnreform 1994, erlebt der Gebührenkatalog des Trassenpreissystems von Anfang an immer wieder Veränderungen bis hin zu komplexen und komplizierten Neufassungen mit einer Fülle detaillierter Regelungen. Zudem ist er nahezu dauerhaft gerichtlichen Auseinandersetzungen unterworfen (siehe Infokasten). Dabei blieb eins beständig: Züge auf dem deutschen Schienennetz zu fahren, wurde und wird immer teurer.
Das akute Problem ist letztlich die viel diskutierte, im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die die finanziellen Spielräume des Bundeshaushaltes derzeit ausbremst. Eigentlich wollte die Ampel-Regierung Milliardensummen aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) des Bundes an den bundeseigenen Konzern Deutsche Bahn überweisen. Die für das Netz zuständige Tochter DB InfraGO sollte mit diesen Mitteln die Ertüchtigung des Schienennetzes vorantreiben. Daraus wurde nichts, weil das Bundesverfassungsgericht die von der Bundesregierung geplante Mittelzuführung in den KTF aus Finanzpolstern, die für die Corona-Krise im Haushalt des Jahres 2021 reserviert waren, für verfassungswidrig hält. Der Ausweg, von politischen Beobachtern schon mal als „Taschenspielertrick” bezeichnet: eine stattdessen vorgenommene Eigenkapital-Zuführung. Für die muss die Netztochter nun eine Verzinsung leisten. Und das betrifft die Bahnbetreiber unmittelbar. Da das Eisenbahnregulierungsgesetz der DB InfraGO vorschreibt, mit den Trassenentgelten schwarze Zahlen und damit die „Vollkosten” zu erwirtschaften, werden die Zinsen auf die Schienenmaut aufgeschlagen. Macht laut DB InfraGO im laufenden Jahr eine Verteuerung um durchschnittlich 20 Prozent.
„Kaum noch wettbewerbsfähige Preise“
Das verschlechtert in erster Linie den knallharten Güterverkehrswettbewerb zwischen Schiene und Straße. „Bei einigen Güterbahnen machen die Trassenpreise mittlerweile einen erheblichen Teil der Betriebskosten aus“, beobachtet VDV-Vizepräsident Joachim Berends. „Mit derart hohen Belastungen lassen sich kaum noch wettbewerbsfähige Preise kalkulieren.” Branchen wie die Chemie-, Stahl- und Automobilindustrie, die in der Regel nicht auf den Schienentransport verzichten können, müssten sich auf steigende Kosten einstellen: „Die Produktion wird teurer – und damit unter dem Strich auch die Produkte.” Allein die im VDV zusammengeschlossenen Unternehmen transportieren, so Joachim Berends, jährlich rund 360 Millionen Tonnen Fracht mit den Güterbahnen: „Das ersetzt am Tag rund 60.000 voll beladene Lkw auf deutschen Straßen.“
Die Bundesregierung habe zwar das erklärte Ziel, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf
25 Prozent zu steigern. Eine Trassenpreisförderung für den Personen- und den Güterverkehr solle dies unterstützen, die Mittel aus dem Bundeshaushalt seien aber zurückgefahren worden – statt der erforderlichen
350 Millionen Euro seien es zuletzt nur 275 Millionen gewesen. Ohnehin bringt die Förderung nicht unbedingt mehr Verkehr auf die Schiene, sondern federt lediglich die Preiserhöhungen ab. Die fehlende Unterstützung werde sich mit deutlich steigenden Kosten schmerzhaft auswirken.
Was dem Lkw seine Maut, ist dem Güterzug sein Trassenpreis. Der wird für die Eisenbahnen - auch im Personenverkehr - zunehmend zur wirtschaftlichen Herausforderung.
Nachjustierung: Bremsen für das Preissystem
Experten des VDV haben sich deshalb an einen Tisch gesetzt und nach Auswegen gesucht. Herausgekommen sind zwei Modelle. Ein kleinerer Schritt wäre eine Lösung, die ihre Autoren bescheiden mit „Nachjustierung“ überschrieben haben. Da geht es laut Joachim Berends um eine Optimierung des bisherigen Trassenpreissystems auf Basis der Vollkostendeckung mit „einer gerechteren, fairen Kostenverteilung und einer kontrollierten Kostenentwicklung”. Ein wesentlicher Punkt: Bisher gibt es unterschiedliche Entgelte für die einzelnen Verkehrsarten mit speziellen Sonderregelungen für den SPNV. Hier sind die Trassenpreise „gedeckelt“. Bund und Länder wollen damit erreichen, dass das Verkehrsangebot nicht durch hohe Ticketpreise unattraktiv wird. Joachim Berends: „Wenn diese Deckelung aufgehoben wird, könnten die Entgelte für den Güterverkehr wie für den Fernverkehr deutlich sinken, ohne dass die Vollkostendeckung gefährdet wäre.“ Hinsichtlich zukünftiger Preisentwicklungen schlägt dieses Modell vor, das Trassenpreissystem gewissermaßen mit Bremsen auszustatten, etwa mit einem transparenten objektiven Index und langfristigen Preisobergrenzen, um den Bahnunternehmen und ihren Kunden eine bessere Planungssicherheit zu geben. Begrenzte Zinslasten im Innenverhältnis zwischen Bund und Bahn könnten weitere Erleichterungen bringen, ebenso wie eine im Fünf-Jahres-Turnus wiederkehrende Überprüfung und Anpassung des Gesamtsystems an die wirtschaftlichen Realitäten.
Als Alternative hat der VDV auch einen Vorschlag für eine „Neukonzeption” vorgelegt. „Ideal wäre es wahrscheinlich, das Trassenpreissystem noch einmal völlig neu zu strukturieren, um eine pragmatische und zugleich wettbewerbstaugliche Lösung herbeizuführen“, sagt der VDV-Vizepräsident und Chef der Bentheimer Eisenbahn, die im Güterverkehr bundesweit sowie im Schienenpersonennahverkehr tätig ist. So sieht dieses Modell den Abschied von der Vollkosten-Abrechnung zugunsten der „Grenzkosten“ vor, wie beispielsweise auch im Bahnland Schweiz. Netzbetreiber und Eisenbahnunternehmen würden bei einem solchen System die durchaus niedrigeren Kosten jeder einzelnen Zugfahrt als Basis für den Trassenpreis nehmen. Und Belastungen etwa durch Eigenkapitalzinsen würden keine Rolle spielen. Klar sei natürlich, dass DB InfraGO vom Eigentümer Bund einen finanziellen Ausgleich für die nur noch geringer erzielten Trassenpreise und damit letztlich für die Differenz zwischen Grenzkosten und Vollkosten erhalten muss.