Schneller Bus als Auto-Alternative
Manche haben ein X vor der Liniennummer, andere nennen sich schlicht SB. Expressbus die einen, Schnellbus die anderen. In vielen Regionen sind sie ein neues Produkt der Verkehrsbetriebe für die Mobilitätswende, auch unter der Marke „Regiobus“: Tempo im Taktfahrplan, Komfort an Bord mit Internetzugang, Fahrplan-Vernetzung von Zug und Bus. Auf neuen Wegen schneller durch die Großstadt gehört genauso dazu wie Linienverkehr alle sieben Tage in ländlichen Regionen.
Wer beim „Baumwollexpress” an tropische Plantagen denkt, liegt falsch. Hinter der Liniennummer X 80 und dem Namen verbirgt sich ein Busangebot im Münsterland, weithin entlang der Grenze zu den Niederlanden. Dort, wo die Textilindustrie seit dem 19. Jahrhundert den Rohstoff Baumwolle verarbeitet. Von Bocholt im Kreis Borken bis nach Bad Bentheim legen die grün lackierten Busse im Stundentakt über 80 Kilometer zurück. Sie haben nur 14 Haltestellen in den acht Kommunen entlang dieses Weges und schaffen die Strecke in etwa eindreiviertel Stunden. Ein gutes Beispiel für die X-Bus-Philosophie. „Mit dem Pkw geht es kaum schneller“, stellt Werner Overkamp fest. Der Chef der STOAG Stadtwerke Oberhausen und VDV-Vizepräsident für den Bereich Bus macht damit klar, warum dieses ÖPNV-Angebot erfolgreich ist. Der Baumwollexpress fährt seit 2022, um den Berufspendlerinnen und -pendlern der Textilbranche, den Studierenden der Fachhochschule Bocholt, aber auch Freizeitreisenden und Touristen eine Mobilitätsalternative zum Auto zu bieten. Das Pilotprojekt des Kreises Borken und der Regionalverkehr Münsterland GmbH funktioniert nun gut eingespielt an sieben Tagen in der Woche.
„Die Linie X 80 ist ein Beispiel dafür, wie die Verkehrsunternehmen gemeinsam mit Kommunen und Kreisen ihr lokales und regionales ÖPNV-Angebot so verbessern, dass mehr Menschen auf das eigene Auto verzichten können“, sagt Werner Overkamp. „Das ist nicht nur im Münsterland spannend, sondern bundesweit, wenn wir die Mobilitätswende vorantreiben wollen. Das muss unser Ziel für den Klimaschutz sein. Wir müssen den Bus attraktiver machen.“ Vorbild ist der lokale und regionale Schienenverkehr mit seinen schnellen Verbindungen zwischen Stadt und Umland, auch in den dünner besiedelten Regionen. Allerdings sagt der Bus-Experte: „Wir können nicht darauf warten, ob und wann die Schienennetze wieder verdichtet werden. Wir wissen alle, dass das Jahre bis Jahrzehnte dauert. Der Schnellbus dagegen gibt uns die Möglichkeit, die meist hervorragend ausgebaute Straßeninfrastruktur für moderne und bessere Dienste zu nutzen, nicht zuletzt auch im Zusammenspiel von Schiene und Straße.“
Das sieht auch Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes so: „Wir dürfen das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, nicht aus dem Blick verlieren. Eine gute Mobilitätsanbindung ländlicher Räume auch jenseits des Autos ist hierfür ein zentraler Baustein.“ Der Einsatz von Schnell- und Regionalbussen ermögliche direkte Verbindungen in die Zentren und zu Knotenpunkten im öffentlichen Verkehrsnetz. „Auch abseits von Schienenstrecken kann damit gerade für Pendlerinnen und Pendler ein Nahverkehrsangebot geschaffen werden, das eine nachhaltige Alternative zum Auto darstellt.“ Damit könne das Deutschland-Ticket auch in ländlichen Regionen seine Wirkung besser entfalten.
Im Großraum Frankfurt meiden die RMV-Linien des „Expressbusrings“ bewusst die City. (Foto, l.)
Bereits im ersten Betriebsjahr waren die Fahrgäste mit dem X 80 bei einer Befragung zu 80 Prozent „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. (r.)
Dabei steht eine inzwischen häufig realisierte Idee aus den östlichen Bundesländern vielerorts Pate: der PlusBus. Er ergänzt die Schienenstrecken durch sein Liniennetz zwischen Bahnhöfen, abgestimmt mit guten Anschlüssen vom und zum Nahverkehr der Bahn. Und er verzichtet auf zeitraubende Umwege, um die hohe Reisegeschwindigkeit von der Bahn auf der Straße weit hinein ins Land zu tragen. Das wird beispielsweise auch im Rheinland als Chance für mehr ÖPNV gesehen. Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sind im nördlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein mit finanzieller Förderung des Landes NRW sieben Expressbuslinien eingerichtet worden. Werner Overkamp ist mit „seiner“ STOAG auch dabei. „Gemeinsam mit den Vestischen Straßenbahnen betreiben wir die Linie X 42. Diese bindet die Städte Kirchhellen und Dorsten hervorragend an das Schienennetz am Bahnhof Oberhausen-Sterkrade und damit Richtung Düsseldorf an. Die Fahrzeit auf der Straße reduziert sich um die Hälfte – das ist ein großer Zeitgewinn für Pendlerinnen und Pendler.“ Nordrhein-Westfalen fördert derzeit 37 Schnell- oder Expressbuslinien und hat bis zum Jahr 2032 zur Finanzierung der zusätzlichen Busdienste 100 Millionen Euro versprochen.
100
Millionen Euro
stellt das
Land NRW für regionale
Schnellbuslinien zur Verfügung.
Baden-Württemberg fördert „Regiobus“
Ein weiteres Beispiel: Auch in Baden-Württemberg laufen attraktive schnelle Busangebote als „Regiobus“. Rund 50 Linien sind in Betrieb. Es sollen 90 werden, auch hier zur besseren Verknüpfung von Städten und Regionen, die abseits vom Schienenverkehr liegen. Mit dem „Förderprogramm Regiobus“ unterstützt das Bundesland die lokalen und regionalen Projekte mit zweistelligen Millionenbeträgen.
In vielen Städten und Regionen sind bereits vor Jahren Buslinien eingerichtet worden, die das Umland besser mit den Metropolen verbinden. So betreibt beispielsweise die Düsseldorfer Rheinbahn seit Jahrzehnten Schnellbuslinien aus den benachbarten Gemeinden in die City der Landeshauptstadt, die auf ihrer Anreise oder Fahrt zurück auch die Autobahnen nutzen. Eine weitere Idee: Im Großraum Frankfurt hat der Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV) mit dem „Expressbusring“ ein Liniensystem entwickelt, das die City bewusst meidet. Da die Stadtmitte sternförmig auf der Schiene von S-Bahn und Regionalbahnen erreichbar ist, schaffen die X-Busse auf tangentialen Routen zwischen den Umlandgemeinden und auch dem Frankfurter Flughafen zusätzliche direkte Linien. Ein weiteres Beispiel für ein solches Angebot ist die Linie SB 91 der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft. Sie umgeht den Großraum Köln linksrheinisch von Dormagen im Norden bis nach Brühl im Süden. „Durch derartige Querverbindungen entfällt für die Fahrgäste das Umsteigen, und häufig sparen sie Zeit“, so STOAG-Chef Werner Overkamp.
Angebot auf gefragten Routen
Das X in der Linienbezeichnung gibt es aber auch bei rein innerstädtischen Bussen in vielen Metropolen. Ein Klassiker war der „TXL“: In Berlin verband er den früheren Flughafen Tegel mit dem Hauptbahnhof und zeitweise dem Alexanderplatz. Gut zwei Dutzend Expressbus-Verbindungen gibt es heute in der Hauptstadt, zwei davon sind Flughafenlinien von der S- und der U-Bahn zum Airport „BER“. Allen ist gemeinsam: Sie schaffen auf besonders nachfragestarken Routen ein zusätzliches Angebot; sie sind meist schneller als andere Linien, weil sie einige Haltestellen auslassen und zudem direktere Wege fahren.
Die Idee, lokale Buslinien durch Schnell- und Express-Busse zu ergänzen und zu überlagern, ist schon viel älter. In den 1950er-Jahren gab es bereits eine Schnellbuslinie von Lauenburg an der Elbe nach Hamburg. Zeitweise richtete dann die Hamburger Hochbahn einige Linien ein. Mit einer heute kaum noch vorstellbaren Besonderheit: Wer in diese Busse einstieg, musste für die schnellere Beförderung einen Zuschlag zahlen. Das gab es auch in anderen Städten.
Zahlen muss heute die Politik für Klimaschutz und Mobilitätswende. André Berghegger vom Städte- und Gemeindebund bringt es auf den Punkt: „Bund und Länder sind gefordert, Schnell- und Regionalbuslinien im Schulterschluss mit den kommunalen Aufgabenträgern auszuweiten. Eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel und eine damit verbundene explizite Zuweisung von Mitteln auch für den straßengebundenen ÖPNV ist hierfür unerlässlich. Ein guter ÖPNV darf nicht vom Vorhandensein einer Schienenanbindung abhängen.“
Verkehrspolitik setzt auf
bessere Busangebote
In den Bundesländern setzt die Politik immer mehr auf den Ausbau des ÖPNV – in dem Bewusstsein, dass nur mit einem funktionierenden guten Angebot die Mobilitätswende erreichbar erscheint. Beispielhaft hier die Stimmen des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann (Foto, l.) und des Umwelt- und Verkehrsministers von Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer (r.). „Wir wollen mit einem engmaschigen Netz dafür sorgen, dass die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr deutlich nach oben gehen und Mittelzentren gut an die urbanen Räume angebunden werden. Denn nur mit einem guten Angebot kann die Verkehrswende zur Erreichung der Klimaziele gelingen“, sagt Winfried Hermann. „Den öffentlichen Verkehr sehen wir als Rückgrat der zukünftigen, nachhaltigen und vernetzten Mobilität. Schnellbusse bieten eine Möglichkeit zur zeitnahen Erweiterung des ÖPNV insbesondere im ländlichen Raum, wo Schienenanbindungen wirtschaftlich oder baulich zeitnah schwierig umsetzbar erscheinen. Wir erarbeiten aktuell ein Konzept für ein den SPNV ergänzendes Schnellbusnetz“, betont Oliver Krischer.