Infrastruktur
21.11.2022

Einfacher ans Gleis kommen

In der Wirtschaft wächst wieder das Interesse am eigenen Gleisanschluss. Allerdings hat der Schienengüterverkehr Nachholbedarf, um den Ansprüchen der Verlader zu entsprechen. Um technische Lösungen und Konzepte sowie um Förderbedingungen ging es auf der jüngsten Gleisanschluss-Konferenz von BME und VDV.

47

Anträge

zur Förderung eines Gleisanschlusses sind seit der Überarbeitung der Förderrichtlinie zum März vergangenen Jahres gestellt worden.


Gleisanschlüsse bewirken mit vergleichsweise geringem Aufwand viel – für den Klimaschutz, für die Verkehrsverlagerung und für die regionale Wirtschaft. Dass bei den Unternehmen das Interesse am eigenen Zugang zum System Schiene wieder wächst, war unter anderem Thema auf der jüngsten Gleisanschluss-Konferenz. Zu der hatten der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) eingeladen. „In der Wirtschaft gibt es den Trend, mehr und mehr auf die Schiene zuzugehen“, sagte VDV-Vizepräsident Joachim Berends zur Eröffnung. In Zeiten von fehlenden Lkw-Fahrern, gestörten Lieferketten und volatilen Kraftstoffpreisen haben sich Gleisanschlüsse für manche Unternehmen zu echten Schlüsselfaktoren entwickelt. Nicht nur deshalb gewinnt das Thema an Fahrt: Der Bund hatte zum 1. März 2021 die Gleisanschlussförderung verbessert – auf maßgebliche Initiative des VDV. Seitdem wurden 47 Anträge eingereicht und 21 Vorhaben mit mehr als elf Millionen Euro gefördert. „Dieser Hochlauf zeigt uns: Das ist der richtige Weg“, betonte Joachim Berends. Gleisanschlüsse sowie Zuführungs- und Industriestammgleise werden vom Bund mit bis zu 50 Prozent, multifunktionale Anlagen für den Umschlag zwischen Straße und Schiene mit bis zu 80 Prozent gefördert. In der neuen Richtlinie wurden die Nachweis- und Rückzahlungsmodalitäten flexibler gestaltet. Über einen Zeitraum von zehn Jahren kann der Antragsteller nun die besten fünf Einzeljahre heranziehen, um die verpflichtenden Transportmengen nachzuweisen. Seit März werden auch Ersatzinvestitionen gefördert. Zudem kann das Antragsverfahren komplett elektronisch laufen, was die Vorlaufzeiten und den gesamten Prozess verkürzt.

200 Anschlüsse fehlen noch

Für die Verkehrsverlagerung spielen Gleisanschlüsse und kundennahe Zugangsstellen zum Schienennetz eine wichtige Rolle. Um den Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr in Deutschland bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen, werden rund 2.500 Gleisanschlüsse benötigt. Zu diesem Ergebnis kommt das vom VDV bei Roland Berger beauftragte Gutachten zum Schienengüterverkehr. Im Jahr 2020 lag die Zahl der Gleisanschlüsse laut Gutachten bei etwa 2.300.

Allerdings haben Unternehmen, die sich am Schienengüterverkehr beteiligen, aktuell mit schwierigen Verhältnissen und dem Sanierungsstau im Netz zu kämpfen. Auf verfügbare Kapazitäten, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sowie Gleisanschlüsse und kundennahe Zugangsstellen – und zwar in dieser Reihenfolge – komme es der verladenden Wirtschaft jedoch an, und hier müsse der Schienengüterverkehr besser werden, betonte Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Die dort organisierten Unternehmen zählen bislang nicht zu den nennenswerten Kunden im Schienengüterverkehr. Das könne sich jedoch ändern: Wenn das System funktioniere, so Markus Olligschläger, „führt an der Schiene keine Straße mehr vorbei“.

Der BWVL ist einer der Unterzeichner der Gleisanschluss-Charta. Das breite Bündnis aus 48 Verbänden sowie mehr als 150 Unternehmen und Institutionen setzt sich dafür ein, die Bedingungen für kundennahe Zugänge zum Schienennetz zu verbessern und regionale Eisenbahninfrastrukturen zu stärken. So sollen leistungsfähige und wirtschaftliche Transportsysteme im Kombinierten Verkehr und im Wagenladungsverkehr angeboten werden können. Weniger Bürokratie, einfachere Regularien und eine verbesserte Förderung gehören ebenfalls zu den Zielen der Charta. „Wegen der gestörten Lieferketten und der notwendigen Energieeinsparungen sind diese Ziele noch aktueller geworden“, sagte VDV-Vizepräsident Joachim Berends, der auch Chef der Bentheimer Eisenbahn ist. Auf seiner Wunschliste an die Politik stehen weitere Erleichterungen für den Bau und die Wiederinbetriebnahme von Gleisanschlüssen. Außerdem soll bei der Genehmigung neuer Logistik- und Wirtschaftsstandorte die Anbindung an die Schiene verpflichtend geprüft werden. Joachim Berends: „Wir brauchen eine Willkommenskultur für Gleisanschlüsse und multimodale Zugangsstellen.“ Im kommenden Sommer soll die Gleisanschluss-Charta in einer aktualisierten Fassung veröffentlicht werden. Derzeit kann sich die Branche jedoch noch nicht genügend auf finanzielle Planungssicherheit und Konstanz bei den Haushaltsansätzen verlassen: Gab es im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr eine Verdoppelung der Mittel auf 34 Millionen Euro, wurden sie 2022 wieder halbiert.

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