Die Stromer
sind im Kommen
Die Dekarbonisierung des ÖPNV kommt Schritt für Schritt voran. Die Zahl der Linienbusse mit CO2-freiem elektrischem Antrieb ist inzwischen vierstellig und wird bis Mitte des Jahrzehnts voraussichtlich die 5.000 erreichen. Doch 30.000 Busse fehlen noch. Für eine erfolgreiche Mobilitätswende braucht die Verkehrsbranche weiter intensive politische Unterstützung – für die Finanzierung und die Setzung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Ingo Wortmann, VDV-Präsident und Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft MVG, sieht ein Etappenziel erreicht. „Wir können E-Busse jetzt nicht nur in den Großstädten, sondern auch flächendeckend in den Regionen zum Roll-out bringen. Schneller als wir erwartet haben, stehen uns dafür serienreife Fahrzeuge zur Verfügung“, sagte er auf der 13. VDV-Elektrobuskonferenz Mitte Juli in Berlin. Die wiederum vermeldete mit 780 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Rekord. Auch die Fachmesse ElekBu verzeichnete mit 70 Ausstellern und 19 Fahrzeugen neue Höchstwerte.
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Ingo Wortmann mahnte jedoch die Kontinuität in der staatlichen Förderung an, die insgesamt elf Milliarden Euro bis 2030 vorsieht. Auch darüber hinaus sieht der VDV-Präsident die öffentliche Hand für den Klimaschutz im Verkehr in der Pflicht. Es gehe nicht nur um die Fahrzeugbeschaffung, sondern ebenso um den Infrastrukturausbau sowohl für die neuen Antriebstechniken als auch für die geplanten Angebotsverdichtungen für die Mobilitätswende. Und die Industrie müsse weiter an der Entwicklung der sauberen Antriebe arbeiten, etwa um die Reichweite für die Batterie-Stromer zu erhöhen. Mit aktuellen Reichweiten von etwa 200 Kilometern können mittlerweile etwa 60 Prozent der innerstädtischen Linien abgedeckt werden. Neue Fahrzeugkonzepte versprechen Reichweiten von über 300 Kilometern.
Zu den Pionieren des E-Busses im flachen Land zählt Stefan Lösel. Er ist Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Ludwigslust-Parchim (VLP) in Mecklenburg-Vorpommern. Die VLP stellt als erstes Unternehmen im ländlichen Raum einen großen Teil der Busflotte mit 45 Fahrzeugen auf Batterieelektrik um. In einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt wird dafür zusätzlich eine „Sektorenkopplung“ zwischen ÖPNV und Energiewirtschaft erreicht: Wenn die Busse nach dem Schülerverkehr und am verkehrsarmen Wochenende lange auf den Betriebshöfen stehen, ermöglicht die bidirektional installierte Infrastruktur eine Stromabgabe der gespeicherten erneuerbaren Energie aus den VLP-Fahrzeugen in die Versorgungsnetze. Stefan Lösel zählte aufgrund dieses Projekts zu den Gewinnern des Ebus Awards, mit dem Industrie- und Verkehrsunternehmen sowie Einzelpersönlichkeiten ausgezeichnet wurden. Die Auszeichnung gehört zu den wichtigsten nationalen ÖPNV-Umweltpreisen. Die Verleihung durch das Forum für Verkehr und Logistik fand zum fünften Mal statt. Auch Großunternehmen wie DB Regio Bus sind auf E-Bus-Kurs. Allein in den Jahren 2022 und 2023 sollen über 200 Fahrzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzellen-Antrieb beschafft und bundesweit auf die unterschiedlichen Einsatzorte verteilt werden.
Trotz im Vergleich zu Batteriebussen höherer Betriebskosten interessieren sich Verkehrsunternehmen vor allem im ländlichen Raum auch für den mit Wasserstoff (H2) gespeisten Brennstoffzellen-Antrieb. So widmete sich die E-Bus-Konferenz erstmals mit einem ausführlichen Themenblock dieser Technologie. Zwar überwiegt die Beschaffung von batterieelektrischen Fahrzeugen mit deutlich höheren Stückzahlen, und nur fünf Prozent der E-Busse fahren mit Brennstoffzellen, aber die Förderbescheide des Bundes für H2-Busse gehen schon in die Hunderte. Wasserstoff gilt jedoch immer noch als knappes Gut, das kaum den Bedarf der großen Industriezweige wie Chemie und Stahl decken kann. Doch die Vorträge der E-Bus-Konferenz deuteten zumindest einen Wandel an. Der Antrieb mit Strom aus der Brennstoffzelle kann den Verkehrsunternehmen mit einer Tankfüllung, die nur wenige Minuten dauert, hohe Tages-Kilometerleistungen auch für schwierigere Umläufe etwa in bergigen Regionen verschaffen.
Der kontinuierliche Ausbau des nachhaltigen ÖPNV mit E-Bussen hängt aber allenthalben davon ab, ob der Bund seine Finanzierungspflichten erfüllt. Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, setzt auf den „modernen und attraktiven ÖPNV“ und weiß um die Verpflichtung des Bundes, „Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, diese Attraktivität zu erreichen“. Bis 2030 müsse die E-Mobilität im ÖPNV im „Markthochlauf“ zu 50 Prozent erreicht sein. Die Politikerin wie auch VDV-Präsident Ingo Wortmann sprachen das Problem der zögerlichen Infrastrukturplanungen an. Der VDV-Präsident erinnerte an die Nachwendezeit. Für den Aufbau Ost habe man seinerzeit das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz geschaffen und damit die Planfeststellung von Vorhaben in „Rekordzeiten“ von neun Monaten abgewickelt. Drei Jahrzehnte später dauerten die Verfahren im Mindestmaß schon wieder zwei bis zweieinhalb Jahre. „Wir sollten zurückkehren und wieder schneller werden.“
Staatssekretärin Kluckert übergibt Förderbescheide für 1.200 E-Busse
Am Vorabend der 13. VDV-Elektrobuskonferenz übergab das Bundesministerium für Digitales und Verkehr 44 Förderbescheide im Gesamtwert von 400 Millionen Euro für 1.200 Busse an Verkehrsunternehmen – und bereitete damit einen weiteren Schritt in die CO2-freie ÖPNV-Zukunft vor. „Nachdem bereits im April 1.700 Busse vom Bund genehmigt wurden, kommt nun eine große Zahl genau dort hinzu, wo wir sie so dringend brauchen: bei den kleinen und mittleren Verkehrsunternehmen in Deutschland“, sagte VDV-Vizepräsident Werner Overkamp: „Das ist ein starkes Signal.“