Mit zufriedenem Lächeln
von der Testfahrt in die Ausbildung
Den Führerschein zu machen, ist eine teure Angelegenheit. Das betrifft nicht nur die Fahrerlaubnis für das private Auto, sondern in noch höherem Maß den Busführerschein. In der Not des wachsenden Mangels beim Fahrpersonal sucht die Branche deshalb nach Möglichkeiten, die Ausbildung für den Platz hinter dem Steuer effizienter zu machen: Verkürzte Schulungen je nach persönlicher Qualifikation könnten den Nachwuchs schneller in den Bus bringen und zugleich die hohen Kosten für die Vermittlung von Theorie und Praxis senken.
Von jetzt auf gleich ans Lenkrad, und dann den zwölf Meter langen Zwanzigtonner ein Stück weit durch ein Gewerbegebiet jonglieren – natürlich sicher geleitet vom Fahrlehrer, der das alle Tage macht. Mit dieser Aktion hatten die Stadtwerke im westfälischen Münster im Frühjahr auf sich aufmerksam gemacht. Gesucht wurde die nächste Generation von Busfahrerinnen und Busfahrern. Gemeinsam mit dem örtlichen Job-Center hatten die Stadtwerke rund 150 Frauen und Männer auf einen Betriebshof eingeladen, um dort für den Mangelberuf zu werben. Durchaus mit Erfolg: Am Ende des Tages hatten sich 15 der Eingeladenen dafür entschieden, die Ausbildung zu beginnen. Die ersten Verträge waren schon auf dem Hof unterzeichnet worden. Viele der Probanden hätten nach ihrer Testfahrt hinterm Lenkrad den Bus „mit einem zufriedenen Lächeln“ verlassen, berichtete der Westdeutsche Rundfunk.
15.000
Euro
kann ein Busführerschein die Unternehmen
kosten.
In Augsburg setzen die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke mit einem Vier-Punkte-Programm darauf, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Busflotte möglichst individuell abgestimmte Arbeitsplätze zu bieten. Ein Punkt sind „Wunschdienstpläne“: Wie lässt sich die Arbeitszeit möglichst nah an die Erfordernisse der jeweiligen persönlichen Lebenssituation anpassen? Stadtwerke-Geschäftsführer Rainer Nauerz: „Wir können da bereits einen guten Wert von 90 Prozent angeben, wir versuchen aber, noch mehr zu erreichen.“
20.000 Menschen fehlen beim Fahrpersonal
Münster und Augsburg: zwei kommunale Verkehrsunternehmen, die wie viele andere immer stärker mit dem Mangel beim Fahrpersonal konfrontiert sind. Mit wachsender Intensität wird landauf, landab nach Mitteln und Wegen gesucht, den Engpass zu beheben oder zumindest zu lindern. „Schon heute fehlen bundesweit 20.000 Menschen für den Dienst hinter dem Buslenkrad im ÖPNV. Dies hat zur Folge, dass rund 80 Prozent der Unternehmen aufgrund des Fahrpersonalmangels von mittelschweren bis erheblichen Auswirkungen auf ihr Unternehmen berichten“, heißt es in einem aktuellen gemeinsamen Positionspapier des VDV und des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmen (bdo). „Fahrpläne werden infolgedessen ausgedünnt, Fahrten fallen aus. Nicht nur die Verkehrswende ist in Gefahr – ein Systemversagen droht.“ Vor dem Hintergrund, dass mehr als die Hälfte des Fahrpersonals älter ist als 50 Jahre, werden bis 2030 rund 50.000 bis 60.000 Fahrerinnen und Fahrer im ÖPNV fehlen, haben die beiden Branchenverbände errechnet. Mehr Bedarf entstehe zudem durch den beabsichtigten weiteren ÖPNV-Ausbau für die Mobilitätswende und in den nächsten Jahren für die zahlreichen Schienenersatzverkehre bei den großen Sanierungsprojekten der Deutschen Bahn.
Öffentlicher Verkehr ist Daseinsvorsorge und benötigt Personal. Deutschlandweit arbeiten mehr als 100.000 Menschen als Busfahrerinnen und Busfahrer.
Einfacher den Führerschein machen
Während die Verkehrsunternehmen schon von sich aus bemüht sind, attraktive Arbeitsplätze für Busfahrerinnen und Busfahrer zu schaffen, wollen VDV und bdo die Rahmenbedingungen für den Erwerb des Busführerscheins verbessern. VDV-Vizepräsident Werner Overkamp, Chef der STOAG Stadtwerke Oberhausen: „Die Hürden sind einfach zu hoch. Wir müssen es schaffen, dass wir interessierten Nachwuchs durch gestraffte Ausbildungen so sicher wie gewohnt, aber schneller und kostengünstiger als bisher ans Lenkrad bringen.“ Das ist nicht ganz einfach, denn wie für jede Fahrerlaubnis gibt es auch für den Busführerschein umfangreiche gesetzliche Regelungen mit reichlich bürokratischem Aufwand. Die Fachleute der Verbände haben sich durch die komplexen Vorschriften für die Ausbildung gearbeitet und in dem gemeinsamen Positionspapier Schritte aufgezeigt, wie eine straffer organisierte Schulung die wachsende Notsituation des ÖPNV zumindest teilweise entspannen könnte.
„Der Berufszugang muss erleichtert und modernisiert werden. Dafür gibt es zwei Handlungsfelder: die Reform der Fahrausbildung und die Reform der Berufskraftfahrerqualifikation“, beschreibt das Papier. Ein erstes grundsätzliches Problem: Ein Bus unterscheidet sich im Straßenverkehr in seinen Dimensionen unwesentlich von einem Lkw. Doch die Gesetze und Verordnungen für angehende Busfahrerinnen und Busfahrer sehen deutlich mehr Fahrstunden vor als bei Kandidatinnen und Kandidaten für den Lkw-Führerschein. „Dies verteuert und verlängert die Ausbildung erheblich. Da müssen wir Unternehmen für jeden Busführerschein schnell bis zu 15.000 Euro investieren“, beobachtet Werner Overkamp, „vier- bis fünfmal so viel wie bei unseren Nachbarn in der EU.“ Der Lösungsvorschlag der Branche: die Ausbildungen für Lkw und Bus angleichen. Für den ÖPNV würde das bedeuten, dass die derzeitige Vorgabe von weit mehr als 100 Fahrschul-Pflichtstunden gestrichen wird. Stattdessen sollte sich die konkrete Stundenzahl aus der individuellen Qualifikation jeder Schülerin und jedes Schülers ergeben, nach entsprechender Beurteilung durch das Fahrschulpersonal. Allein dadurch würde die Ausbildung wesentlich verkürzt und entsprechend weniger kosten.
50
Jahre und älter ist die Hälfte des Fahrpersonals.
Ein weiterer Schritt zum Busführerschein ist die sogenannte Berufskraftfahrerqualifikation. Von der Gesundheitsvorsorge bis zur Fahrzeugtechnik, von den Sozial- und Straßenverkehrsvorschriften bis zur Ersten Hilfe müssen Bus- und Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer sich reichlich Know-how aneignen. Zunächst geht es um die Vermittlung einer „Grundqualifikation“. Diese muss in umfangreichen Theorie- und Praxisprüfungen bei den Industrie- und Handelskammern nachgewiesen werden. Hier schlägt das Positionspapier der Branche detaillierte Veränderungen vor. Insbesondere empfiehlt es, die erforderlichen Schulungen nicht parallel zur Fahrausbildung vorzunehmen, sondern sie in diese zu integrieren. Das verhindere unnötige Dopplungen und beschleunige die Erlangung der Qualifikation. Mehr noch: Statt umständlicher Examina sollte am Abschluss ein Multiple-Choice-Verfahren stehen, so wie es beim Erwerb eines Führerscheins seit Jahrzehnten üblich ist. Das würde auch den Einsatz von künftigen Busfahrerinnen und Busfahrern ermöglichen, die noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Fragebogen zum Ankreuzen lassen sich einfach übersetzen.
„Die Fahrerlaubnis und die Berufskraftfahrerqualifikation könnten so deutlich schneller und günstiger erworben werden – mit identischen Ausbildungsinhalten und gleich hohen Prüfungsanforderungen“, betont Werner Overkamp. „Ich bin zuversichtlich, dass die sehr durchdachten Vorschläge unserer Verbände in der Politik und den Ministerien positiv aufgenommen werden und rasch zu einer Reform der Regelungen führen. Für die Zukunft des ÖPNV ist das entscheidend.“
Mehr Infos
dazu unter:
www.vdv.de/positionen
Busfahrausbildung: Mit
„2 in 1“ aus der Personalkrise
Die Ausbildungsdauer ist lang, die Kosten von bis zu 15.000 Euro sind hoch: Der Berufszugang für Busfahrerinnen und Busfahrer muss reformiert werden – in den Handlungsfeldern Fahrausbildung und Berufskraftfahrerqualifikation. Während im europäischen Ausland ein einzelner Ausbildungsblock durchlaufen wird, werden der Busführerschein und die Berufskraftfahrerqualifikation hierzulande getrennt unterrichtet und geprüft. Der Vorschlag: Elemente aus Führerschein, Grundqualifikation sowie beschleunigter Grundqualifikation zu einem neuen Ganzen zusammenlegen. Ziel ist es, eine bessere Alternative zur beschleunigten Grundqualifikation zu schaffen, die von den Interessierten auch tatsächlich angenommen wird.(Quelle: bdo)
Zum Vergrößern bitte anklicken