WiM Summit 2023

„Deutschlandtour“ der Women in Mobility

Es ging um eine „feministische“ beziehungsweise inklusive Verkehrswende, ums Netzwerken und Karriere, um Expertinnen-Wissen – etwa zum nachhaltigen Mobilitätskonzept in Barcelona – und nicht zuletzt um eine noch bessere Organisation der mehr als 5.000 Women in Mobility (WiM) in der Region D-A-CH: Mehr als 400 Fachfrauen aus allen Sparten der Mobilitätsbranche kamen im September beim „WiM Summit 2023“ zusammen. Circa 40 Expertinnen informierten und diskutierten miteinander und mit dem Publikum.


Knapp vier Jahre nach dem ersten WiM-Gipfel im „Silberturm“ der Deutschen Bahn (DB) in Frankfurt/Main erwies sich das jüngste Großevent als logistische Herausforderung, denn diesmal ging der WiM Summit auf „Deutschlandtour“. Den Rahmen bildeten Großereignisse wie die „Zukunft Nahverkehr“ und das „Railway Forum“ in Berlin sowie die „IAA Mobility“ in München. An allen Orten setzten WiM-Rednerinnen Akzente, indem sie die weibliche Sicht in den Fokus rückten. Ergänzend trafen sich Frauen in den zwölf Regionalgruppen (Hubs) und virtuell.

Diskutierten im Panel zum Thema feministische Verkehrswende (von links nach rechts): Katharina Klaas (VCD), Elisabeth Oberzaucher (Uni Wien), Moderatorin Jana Kugoth (Tagesspiegel), Swantje Michaelsen (Mitglied des Bundestags, Bündnis 90/Die Grünen), Isabell Eberlein (Velokonzept)

Die Vision der WiM ist eine Mobilitätsbranche, „in der Vielfalt, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit sind.“ Das erklärte zum Auftakt Coco Heger-Mehnert, eine der drei WiM-Gründerinnen. Wichtige Aspekte seien Zugänglichkeit, Sicherheit im öffentlichen Raum und (gleiche) Repräsentanz.

„Gebrochene Wegeketten“ betreffen auch andere gesellschaftliche Gruppen

„Seit 2015 haben wir immer wieder auf die Tatsache hingewiesen, dass Frauen in ihrer Mobilität beeinträchtigt sind. Das wird in der Verkehrsbranche immer noch zu wenig wahrgenommen“, so Anne Rückschloß, neben Dr. Kerstin Wendt eine der Hauptorganisatorinnen der WiM-„Deutschlandtour“. Stichwort „gebrochene Wegeketten“. Nach wie vor seien überwiegend Frauen zuständig „für alles, was mit Versorgung zusammenhängt“, vom Abholen der Kinder bis zum Einkauf. Für eine Frau bedeute dies, „dass sie verschiedene Mobilitätsoptionen suchen muss und dadurch höhere Kosten hat.“ Ein Umstand, der offenbar auch andere gesellschaftliche Gruppen stark betrifft, wie Nadja Ullrich von der „Aktion Mensch“ darlegte. Sie präsentierte Ergebnisse der neuen Studie „Inklusionsbarometer Mobilität“. Das Fazit: Gerade beim Thema Sicherheit und „gebrochene Wegeketten“ gebe es große Schnittmengen mit den Anliegen der WiM.

Mobilitätswende in Barcelona: „Superblocks“ für mehr Lebensqualität

Weg von einer autozentrierten Stadt, hin zu mehr Grün und einer höheren Lebensqualität: Wie sich öffentlicher Raum zugunsten der Menschen verwandeln lässt, zeigte Maíta Fernández-Armesto Sánchez am Beispiel von Barcelona. Als Deputy Manager Urban Ecology hat sie dort ein wegweisendes, nachhaltiges Mobilitätskonzept mit umgesetzt. Im Fokus stehen sogenannte „Superblocks“. Dafür werden jeweils bis zu neun Häuserblocks als Einheit betrachtet. Zwischen ihnen ist der Durchgangsverkehr stark eingeschränkt.

Maíta Fernández-Armesto Sánchez von der Stadt Barcelona referierte über das „Supermanzana“-Projekt.

Aus zentralen Kreuzungen werden Plätze zum Verweilen, Spielen und für den nachbarschaftlichen Austausch. Fußgänger und Radfahrer haben Vorfahrt. Von zweispurigen Straßen bleibt nur eine für Autos übrig und dann auch nur als Einbahnstraße, auf der maximal 20 km/h erlaubt sind. Flache Hausdächer und Wände werden begrünt. Insgesamt 503 dieser „Superrilles“, so der katalanische Begriff für die „Superinseln“, sollen in Barcelona entstehen. Außerdem sind grüne Korridore vorgesehen und anderes mehr, für ein polyzentrisches Stadtsystem mit kurzen Distanzen. 60 Prozent der Straßen sollen dadurch für andere als die motozentrierte Nutzung frei werden, wie die die Stadt ankündigt, mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Umwelt.

„Geschlechter-Hut passt oft schlecht“

Die WiM-Gründerinnen stellten eine erweiterte Sicht auf den Begriff „Feministische Verkehrswende und Verkehrspolitik“ zur Diskussion. Dieser solle Diversität abbilden und alle Menschen einbeziehen, „die in irgendeiner Form in ihrer Mobilität eingeschränkt sind“. Die österreichische Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher gab zu bedenken, dass sie den Begriff „feministisch“ an dieser Stelle für problematisch hält: „Er könnte missverstanden werden: Frauen machen es sowieso schon richtig, deswegen müssen wir es so machen wie die Frauen. Das stimmt so nicht.“ Frauen seien in ihrem Mobilitätsverhalten „vielleicht nicht ganz so böse für unseren Planeten wie Männer, aber trotzdem machen Frauen nicht alles richtig.“ Elisabeth Oberzaucher gefiel die Bezeichnung „inklusive Verkehrswende“ besser. „Es geht ja darum, dass Menschen nicht von der Mobilität ausgeschlossen sind. Und das ist vielleicht das Kernziel der feministischen Verkehrswende.“ Besser sei es, Bedürfnis-basiert zu arbeiten, denn: „Der Geschlechter-Hut ist zwar ein historisch gewachsener, aber oft schlecht passender Hut.“

Ulrike Haber-Schilling (l.), Vorständin Personal und Arbeitsdirektorin DB Regio AG, im Gespräch mit ihrer Kollegin Dr. Isabella Grahsl

Themen intersektional angehen

Themen intersektional angehen – dafür trat Isabell Eberlein ein, geschäftsführende Gesellschafterin Velokonzept und Gründerin von „Women in Cycling“. „Wir sollten aufhören, in Klischees zu denken. Es gibt genügend Frauen, die auch dicke SUVs fahren.“ Trotz alledem sei „Feminismus“ ein starker, inklusiver und transformativer Begriff, in Anlehnung an die von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach sie sich für eine „feministische Außenpolitik“ aus.

Sichtbarkeit erzeugt

„Women in Mobility hat seit 2015 einen super Job gemacht und Sichtbarkeit erzeugt“, zog Isabell Eberlein ein Zwischenfazit. Sie forderte: „Über die Sichtbarkeit hinaus müssen wir jetzt konkreter werden. Wir müssen anfangen, uns zu organisieren gegenüber der Politik, aber auch intern.“ Interdisziplinäre Arbeitsgruppen seien ein Schritt in die richtige Richtung. „Wir können uns gegenseitig empowern und promoten“, so Eberlein weiter, „aber wir brauchen auch Quoten, um in die Schaltzentralen der Macht zu gelangen.“
Coco Heger-Mehnert bestätigte, dass schon viel geschafft wurde. „Aber das heißt nicht automatisch, dass Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn ihren Weg auch gehen können.“ Die Elternzeit zum Beispiel sei ein großes Thema: „Wie schaffe ich es, in der Familienphase fachlich auf der Höhe zu bleiben und mich danach weiter einzubringen? Da gibt es Spezialistinnen in unserem Netzwerk, die sich mit Empowerment und Personalleitung befassen, die mit guten Konzepten vorangehen.“ Voraussichtlich soll es eine separate Veranstaltung zu dem Thema geben.

Tandems haben sich bewährt

Weibliche Vorbilder aus der Mobilitätsbranche kamen unter anderem beim „Karrierefrühstück“ zu Wort. Dort warb Ulrike Haber-Schilling, Vorständin Personal und Arbeitsdirektorin DB Regio AG, für flexible Arbeitsmodelle – nicht nur bezogen auf die Arbeitszeit, sondern auch auf den Arbeitsplatz. Denn: „Wir müssen die Frauen, die wir eingestellt haben, auch binden, damit sie bitte, bitte nicht mehr aus der Branche weggehen.“ Selbst Frauen in Führung müssten keineswegs auf Teilzeitlösungen verzichten, erklärte die Personalchefin im Gespräch mit ihrer Kollegin Dr. Isabella Grahsl. Tandems hätten sich sehr wohl bewährt. Grundsätzlich soll bei der Deutschen Bahn der Anteil von Frauen in Führung bis 2024 auf 30 Prozent steigen. Bei der DB Regio sind es aktuell schon 32 Prozent.

Frauen-Anteil in manchen Bereichen „unfassbar klein“

Mehr Repräsentanz von Frauen im gesamten Verkehrsbereich: Das fordern die WiM seit Jahren, und dazu haben sie die aktuelle Studienlage gesichtet. Das Ergebnis: „Nach wie vor haben wir eine 80:20-Verteilung“, sagte Coco Heger-Mehnert, „also einen Frauenanteil von 20 Prozent in der Branche, und in den Führungspositionen dünnt sich das noch weiter aus.“ Noch wenig bekannt ist offenbar über die Zusammensetzung von Studierenden und Lehrkörper in einschlägigen Fachgebieten an den Universitäten. Ein Blick in den Bereich Verkehrsplanung zeigt Coco Heger-Mehnert zufolge, dass der Anteil an Studentinnen dort „unfassbar klein“ sei. Auch die Reaktion von Frauen auf Stellenanzeigen in diesen Ressorts halte sich in Grenzen. Daher wollen die WiM sowohl im Ausbildungsbereich als auch an den Universitäten sichtbarer werden.

Weitere Infos unter:

www.womeninmobility.org

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