Jahrestagung im Zeichen des Fachaustauschs

„Menschen im Fokus – Fachkräfte, Fahrgäste, Vielfalt“: Unter diesem Leitgedanken fand in Düsseldorf die diesjährige VDV-Jahrestagung statt. Mehr als 850 Teilnehmende tauschten sich über Themen aus, die der Branche auf den Nägeln brennen. Die Personalarbeit steht vor einem Kulturwandel – oder ist schon mittendrin.

Wir kommen in Zeiten, wo wir die Reihen fest schließen müssen, um da durchzukommen. Nichts ist wichtiger.

Ingo Wortmann
VDV-Präsident


„Wir haben Bedarf, miteinander zu reden“, erläuterte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff die wesentliche Abweichung zu den VDV-Jahrestagungen, wie sie die Branche bis dahin kannte. Denn Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik von Bund und Ländern waren in Düsseldorf nicht dabei. Nach den anstrengenden vergangenen Jahren – Pandemie, Energiekrise, Inflation, 9-Euro-Ticket – wollte die Branche die Gelegenheit nutzen, um den Schulterschluss zu üben und die anstehenden Herausforderungen zu diskutieren.

Fachkräftemangel, ausbleibende Finanzierungszusagen seitens der Politik, marode Schienenwege: Die Verkehrsunternehmen steuern aktuell durch schweres Fahrwasser. „Wir kommen in Zeiten, wo wir die Reihen fest schließen müssen, um da durchzukommen“, appellierte VDV-Präsident Ingo Wortmann in seiner Eingangsrede an den Zusammenhalt der Branche: „Nichts ist wichtiger.“ In Richtung Politik kritisierte Ingo Wortmann, dass diese angesichts der unklaren wirtschaftlichen Zukunft der Verkehrsunternehmen eindeutige Signale und die notwendige Zuverlässigkeit vermissen lasse. „Politik muss führen, und das tut sie im Moment nicht“, so der VDV-Präsident: „Wir kommen nicht weiter und können unsere Aufgaben nicht bewältigen.“ Mit Blick auf das Ergebnis der Europawahl, die wenige Tage vor der VDV-Jahrestagung stattfand, positionierte sich Ingo Wortmann klar für Europa, Demokratie und Vielfalt: „Der Rechtsruck muss uns alle interessieren und alarmieren.“ Frieden, Wohlstand und das freiheitlich-demokratische Miteinander seien gefährdet.

„Ohne Vielfalt steh’n wir still.“ Dieser Satz hebt das Selbstverständnis der Düsseldorfer Rheinbahn hervor, gastgebendes Unternehmen der VDV-Jahrestagung. Das Bekenntnis war wiederholt zu hören. „Das Potenzial, dass wir eine Vorzeigebranche für Integration sein können, müssen wir aufgreifen“, sagte Annette Grabbe, Sprecherin des Rheinbahn-Vorstands und Arbeitsdirektorin: „Wir alle brauchen Unternehmenskulturen, die Integration zulassen.“ Mit einer Belegschaft von 3.500 Mitarbeitenden aus 51 Nationen geht die Rheinbahn mit gutem Beispiel voran.

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„Arbeit ist der Schlüssel zur Integration, und Arbeit ist der Schlüssel zur Sprache“, sagte Zarah Bruhn. Die Gründerin und Geschäftsführerin von Socialbee stellte eine Kooperation mit dem VDV vor. Das Sozialunternehmen will 100 Geflüchtete in VDV-Mitgliedsunternehmen in Arbeit bringen und dabei helfen, sie gesellschaftlich zu integrieren („VDV Das Magazin“ berichtete).

„Professionalität im Umgang mit Personal“

Zusätzliche Zuwanderung von Arbeitskräften könne bei der Dimension des Fachkräftemangels jedoch nicht allein die Lösung sein, erklärte Jutta Rump: „Sie können ein Thema nicht korrigieren, das seine Ursachen vor 30 Jahren hat.“ Potenzial sieht die Professorin für Allgemeine BWL beispielsweise darin, gut qualifizierte Frauen in den Arbeitsmarkt zu holen und dort zu halten. Aber es gelte auch, „die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den Fokus zu nehmen“. Die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen machte deutlich, wie wichtig die „hohe Professionalität im Umgang mit Personal“ ist. Sie regte zudem an, Mitarbeitende auch als geldwerten Faktor im Unternehmen zu begreifen, in den investiert werden müsse.

Ob es um die Integration und die berufliche Eingliederung von Arbeitskräften aus dem Ausland ging, um Frauen in männlich dominierten Teams oder um alltägliche Sorgen und Nöte hinter dem Lenkrad: Auf den Podien berichteten auch zahlreiche Mitarbeitende aus dem Fahrdienst, den Werkstätten und dem Kundenservice über die Themen, die sie bewegen. Neben dem Hauptthema Personal ging es in den Foren um die Finanzierung des Deutschland-Tickets, den Zustand der Eisenbahninfrastruktur und die Zukunft die Mobilität generell.

Martin Henke ist nun VDV-Ehrenmitglied

Ein besonders emotionaler Moment war die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Dr. Martin Henke – verbunden mit dem Dank für sein Engagement, mit dem er die Eisenbahnbranche gestärkt hat. Der frühere Geschäftsführer des Bereichs Eisenbahnverkehr ist nach fast einem Vierteljahrhundert beim VDV in den Ruhestand gegangen. Seine Nachfolgerin Ulla Kempf hatte die Führung des Geschäftsbereichs im Juni übernommen.

Besondere Würdigung: Dr. Martin Henke (2. v. l), langjähriger Geschäftsführer des Bereichs Eisenbahn, erhielt die Ehrenmitgliedschaft des VDV. Es dankten ihm seine Nachfolgerin Ulla Kempf sowie Oliver Wolff (l.) und Ingo Wortmann.

Die nächste VDV-Jahrestagung findet vom 17. bis 19. Juni 2025 in Hamburg statt – im Rahmen des UITP-Weltkongresses. Gastgebendes Verkehrsunternehmen wird die Hamburger Hochbahn sein.

Mehr Infos

dazu unter:

www.vdv.de/jahrestagung

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