Hintergrund
Netzwerke: Frauen mischen die Branche auf
Wie lassen sich mehr Mädchen für technische Berufe in den Verkehrsbetrieben begeistern? Warum steigen dort so wenige Frauen in Führungspositionen auf? Und wie steht es um die Chancengleichheit? Fragen, die nicht nur angesichts des Fachkräftemangels drängen. Denn die Mobilität der Zukunft verlangt Visionen und daher auch einen weiblichen Blick auf die Dinge. Mit eigenen Netzwerken treiben erfolgreiche Frauen nun die Mobilitätsbranche voran. „VDV Das Magazin“ stellt die beiden prominentesten Netzwerke vor.
"Starke Eisenbahnerinnen“ nennen sich die Frauen, die seit 2016 unter dem Dach der „Allianz pro Schiene“ ein eigenes Netzwerk bilden. Es ist zugleich das am besten besuchte innerhalb der Allianz und für alle weiblichen Mitglieder offen. Ihm gehören Geschäftsführerinnen und leitende Mitarbeiterinnen aus allen Unternehmensbereichen an sowie Frauenbeauftragte aus den Unternehmen. Etwa 40 Vertreterinnen kommen einmal pro Quartal in Berlin zusammen, um über wichtige Mobilitätsthemen aus weiblicher Sicht zu sprechen.
Gegründet hat das Netzwerk die damalige Bombardier-Managerin Susanne Kortendick: Auf der Innotrans 2016 stellte die heutige Ehrenvorsitzende den Zusammenschluss erstmals der Öffentlichkeit vor. Anlass für die Gründung: Damals wie heute zählt die Eisenbahnbranche zu den klassischen Männerdomänen. Eine Statistik des europäischen Eisenbahnverbandes CER zeigt: In vielen Ländern der Europäischen Union beträgt der Anteil der weiblichen Beschäftigten durchschnittlich nur rund 20 Prozent.
Mit diesem Zustand gibt sich das Frauennetzwerk der „Allianz pro Schiene“ nicht zufrieden. Um Mädchen für MINT-Berufe zu interessieren, Frauen in den Eisenbahnbetrieben zu fördern und die Chancengleichheit etwa bei der Karriereplanung zu stützen, pflegt das Netzwerk den Austausch mit Unternehmen – darunter große Hersteller –, führt Gespräche mit Behörden, Ministerien, Verbänden und anderen Netzwerken und baut die Zusammenarbeit mit Universitäten aus. Aktuell ist eine Ringvorlesung an der TU Dresden in Vorbereitung. Darin werden die vielen beruflichen Möglichkeiten für Frauen in der Bahnbranche vorgestellt. Weibliche Vorbilder rückt die „Allianz pro Schiene“ mit dem „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“ in den Vordergrund. Denn, so die Sprecherin des Frauennetzwerks Carmen Maria Parrino: „Die Wirtschaft braucht Frauen mit Visionen, die mit ihrem Mut und ihrer Kreativität die Mobilitätsbranche gestalten und voranbringen.“
„Allianz pro Schiene“ kürt Mobilitätsgestalterinnen
Mobilität neu denken: Darauf zielt der „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“, den die „Allianz pro Schiene“ im September 2019 bereits zum zweiten Mal vergibt. Im Rampenlicht stehen innovative Frauen, die nach Ansicht der Jury neue Mobilitätskonzepte und praxistaugliche Innovationen für den Alltag entwickelt haben. Das Frauennetzwerk der „Allianz pro Schiene“ nimmt die Vorschläge bis zum 30. Juni 2019 auf seiner Website entgegen. Eine hochkarätig besetzte Jury fällt die Entscheidung. 2018 wurde der Innovationspreis erstmals auf der Innotrans verliehen. Preise gab es unter anderem für eine Erfindung, die den Energiebedarf von Lokomotiven im Standbetrieb senkt, und für eine Idee zum besseren Schutz von Arbeitenden vor Schweißrauch und Strahlung in den Werkshallen.
„Women in Mobility“ sichtbar machen
Einen etwas anderen Ansatz verfolgen die „Women in Mobility“ (WiM). Getreu dem Motto „meet. network. change“ engagieren sich aktuell an die 700 Netzwerkerinnen für eine bessere Sichtbarkeit von Frauen in der gesamten Mobilitätsbranche – auf Führungs- und Projektleitungsebene, aber auch als Referentinnen auf Konferenzen und als Expertinnen in Fachmedien. Ausdrücklich willkommen sind Mitarbeiterinnen, Gründerinnen, Wissenschaftlerinnen und Studentinnen, die sich mit Mobilitätsthemen befassen. Zugleich streben die WiM einen größeren Einfluss auf die Entwicklung der Mobilitätsbranche an. Denn, so Mitbegründerin Coco Heger-Mehnert: „Mobilität muss in vielen Bereichen neu gedacht werden. Die Digitalisierung bietet eine riesige Chance zur Entwicklung einer umweltfreundlicheren, kundenzentrierteren und nachhaltigen Mobilität.“ Seit der Gründung von WiM im Jahr 2015 netzwerken die Frauen intensiv auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Linkedin, Xing und Twitter. Zudem treffen sich Gruppen - sogenannte Hubs - in Berlin/Brandenburg, Köln, München und seit Jahresbeginn 2019 auch in Hamburg. „Frauen besitzen die Gabe, komplex, weitsichtig und uneitel über ihren Tellerrand hinaus zu denken“, sagt Coco Heger-Mehnert. „Außerdem schätzen sie fachliche Diskussionen.“ In diesem Sinne freuen sich die WiM auf Verstärkung.