Innovationen
28.02.2022

Freie Fahrt für den digitalen Güterzug

Der hohe Anteil langwieriger manueller Tätigkeiten ist das größte Hindernis für einen konkurrenzfähigen Einzelwagenverkehr auf der Schiene. Mit der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) soll das anders werden. Sie ist die digitale ­Revolution im Güterverkehr. Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing schickte jetzt einen mit der DAK ausgerüsteten Testzug „auf den Weg nach Europa“.


Start der Versuchsfahrt: Jörg Wojahn (EU-Kommission), DB Güterverkehrsvorstand Dr. Sigrid Nikutta, Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing und Daniela Gerd tom Markotten (DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik) (v. l. n. r.) verabschiedeten den Zug symbolisch im Berliner Westhafen.

Der FDP-Politiker Volker Wissing bekannte sich ausdrücklich zu dem Ziel, bis 2030 das Güterverkehrsaufkommen der Schiene in Deutschland von jetzt etwa 18 auf 25 Prozent zu steigern. Dazu werde er, „soweit haushalterisch machbar, die Kosten für die Nutzung der Schiene senken“, versprach er, als er im Berliner Westhafen das Abfahrtssignal für den Testzug gab. Um die DAK einzuführen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen des gesamten Eisenbahnsektors. Die Einführungsphase für die DAK könnte 2023/2024 starten und, wenn das gelingt, die Ausstattung von rund einer halben Million Güterwagen zwischen Norwegen und Sizilien mit diesen Kupplungen bis 2030 abgeschlossen sein.

Europa ist der einzige Kontinent, auf dem Güterwagen bisher noch per Hand ge- und entkuppelt werden müssen. Jetzt haben sich Bahnen und Industrie aber zum Ziel gesetzt, die anderen zu überholen, indem Europa die erste Region werden soll, in der die Waggons auch gleich digitalisiert werden. So wird nicht nur aufwendiges und kräftezehrendes Hantieren bei der Zugzusammenstellung entbehrlich. Den ganzen Güterzug durchzieht dann auch ein digitaler Bus für Daten, mit denen sich die Fahrzeuge überall und jederzeit lokalisieren lassen und die zugleich Aufschluss über ihren Zustand und ihre Ladung geben können.

Mit der DAK in wenigen Minuten startklar

Vor einigen Jahren fuhr in der Schweiz schon einmal ein Testzug mit verschiedenen digitalen Kupplungs-Prototypen. Der DAK-Testzug, der jetzt auf die Reise quer durch Europa geschickt wurde, ist mit einer Kupplung des Typs „Scharfenberg“ ausgerüstet. Diese ist in ähnlicher Form bereits bei S-Bahnen und ICE-Zügen im Einsatz. Bei Güterwaggons sind allerdings die Anforderungen härter. Bisher werden im Schienengüterverkehr in Deutschland fast ausschließlich Schraubenkupplungen verwendet. Bis zu 70.000-mal täglich müssen Rangierer Güterwagen verbinden oder trennen. Dafür gilt es, jeweils den 20 Kilo schweren Kupplungsbügel zu heben und zu senken, wie DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta vor Ort erläuterte. Sie ließ es sich nicht nehmen, eine der alten Verbindungen vor den Fotografen des Pressetermins zu lösen. Rechne man die Bremsproben dazu, „dauert eine Zugvorbereitung schon mal eine bis drei Stunden, je nach Länge des Zuges. Mit der DAK ist ein Güterzug schon in Minuten abfahrbereit“, sagte sie.

Die DAK verbindet Güterwagen ohne Handarbeit miteinander. Gleichzeitig kuppelt sie die Luftleitung für die Bremse sowie eine Strom- und Datenleitung aneinander – alles automatisch.


Ein Plus bei Tempo und Wirtschaftlichkeit

Damit sind die Waren schneller beim Empfänger, zumal es die Kupplung laut Daniela Gerd tom Markotten, DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik, auch erlaubt, dass mehr Güterzüge als heute bis zu 120 Stundenkilometer schnell fahren und somit im Netz „mitschwimmen“ können. Dadurch müssen Güterzüge für Personenzüge nicht mehr so oft ausweichen. Das erhöhe die Wirtschaftlichkeit und ermögliche dichtere Zugfolgen. Außerdem steige das zulässige Zug- und Stoßgewicht, sodass schwerere und längere Züge fahren könnten. Das jährliche Einsparpotenzial für die europäischen Bahnen bei einer Ausstattung der Güterwagen mit der DAK wird auf 760 Millionen Euro geschätzt. Das ist auch nötig, denn die Kosten der europaweiten Umrüstung bezifferte Volker Wissing auf bis zu 8,6 Milliarden Euro, die Dauer auf sechs bis acht Jahre. Der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Berlin, Jörg Wojahn, verwies auf das europäische Ziel, den Schienengüterverkehr bis 2050 zu verdoppeln.

Volker Wissing attestierte der Schiene „eine Schlüsselfunktion beim Klimaschutz“. Den DAK-Testzug finanziert sein Ministerium mit rund 13 Millionen Euro. Er soll nun Station in Österreich und der Schweiz machen, deren Güterbahnen neben DB Cargo bereits am Projekt beteiligt sind. Dazu kommen drei große privatwirtschaftlich organisierte Wagenhalter. Danach folgt eine Tour durch weitere Länder. Der Güterzug der Zukunft soll bis zum Ende des Jahres unterwegs sein.

Mehr Infos

zur DAK:

www.vdv.de/DAK

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