Aus dem verband

Hamburg:

ÖPNV noch lange nicht grün

Hamburg ist auf dem Weg zu zwei Millionen Einwohnern. Damit wachsen die Anforderungen und Ansprüche an das urbane Leben. Auch in Sachen Mobilität. Für immer mehr Bürger und Pendler muss sie klimafreundlich werden und ihnen attraktive Lebensqualität vermitteln – emissionsfrei, mit Bussen und Bahnen als Rückgrat des Umweltverbundes. Eine Metropolen-Konferenz der Initiative „Deutschland mobil 2030” anlässlich der elften Hamburger Klimawoche zeigte: Die Ziele sind klar, die Wege aber höchst umstritten.


In der halbrunden Kuppel des weißen Konferenzzeltes auf dem Vorplatz des Hamburger Rathauses braute sich etwas zusammen – eine Filmprojektion zwar nur, aber von erschreckender Gewalt: Es waren Satellitenaufnahmen des Taifuns „Haiyan”, der 2013 über dem südostasiatischen Meer wütete und auf den Inseln tausende Menschen ums Leben brachte. Die Visualisierung der Wetterdaten verdeutlichte die massiven, brachialen Luftbewegungen eines der stärksten Taifune seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – eine Demonstration, wie gefährlich extreme Wetterphänomene sein können.

Man kann die Preise noch so senken, das ist nicht entscheidend: Das Netz muss gut sein.

Dominik Brühwiler, Verkehrsplanung Zürcher Verkehrsverbund

Vor diesem Hintergrund gab es vor rund 250 zum Teil sehr engagierten Zuhörern Klimapolitik kontrovers: Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher hält die hoch umstrittenen, vielfach als zu zaghaft kritisierten Klimaschutzpläne der Bundesregierung für den richtigen Weg zur klimaneutralen Mobilität. Wer die 22 Seiten genau lese, findet nach seinen Worten viele sinnvolle Ansätze, auch wenn Hamburg im Bundesrat Nachbesserungsvorschläge zum Klimaschutzgesetz einbringen werde. Auch Klaus Bonhoff, Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium, äußerte sich „stolz” darüber, „welches Maßnahmenpaket wir jetzt zur Verfügung haben”. Ganz anders Luisa Neubauer von Fridays for Future. Die Deutschland-Repräsentantin der Bewegung nannte die Regierungspläne „absurd“: „Wir müssen öffentlichen Raum neu und anders denken. Kein Kind denkt daran, Tonnen von Stahl zu bewegen. Und es ist kein Naturgesetz, im Stau zu stehen und dass Autos wichtiger sind als Menschen. Das muss doch anders gehen.“

Für „Salz in der Suppe” sorgten die Vertreter von Fridays for Future: Luisa Neubauer (M.), eingerahmt von Klaus Bonhoff (BMVI, l.) und Dominik Brühwiler (Zürich).

ÖPNV-Ausbau über Jahrzehnte

In Zürich und in Wien geht es anders. Angelika Winkler aus der Abteilung Stadtentwicklung und Stadtplanung der Stadt Wien berichtete von jahrzehntelanger Konsequenz beim Ausbau und der Förderung des ÖPNV, die nun allmählich Früchte tragen. Das Ziel, 80 Prozent der innerstädtischen Mobilität im Umweltverbund von Bussen, Bahnen, Radfahrern und Fußgängern zu erreichen, werde noch verfehlt. Bisher liege der Autoanteil bei 29 Prozent. Eine konsequente Parkraum-Bewirtschaftung und eine U-Bahn-Steuer für Unternehmen dienen der Mit-Finanzierung des ÖPNV, der sich aber ständig weiter entwickeln müsse. „Uns Wienern liegt der ÖPNV im Blut”, formulierte es Winkler nicht ohne Stolz. Ein ähnlich positives Bild zeichnete Dominik Brühwiler, Chef der Verkehrsplanung beim Zürcher Verkehrsverbund: „Seit 40 Jahren arbeiten wir am Ausbau des Öffentlichen Verkehrs”, verdeutlichte er auch die zeitlichen Dimensionen. Heute verfüge der Verbund über ein hoch leistungsfähiges S-Bahnnetz, das 70 bis 80 Prozent Marktanteil im Nahverkehr habe – weit über die Stadt Zürich hinaus, in Spitzenzeiten mit Zugfolgen von drei Minuten und in hoher Reisequalität mit jederzeitigen Anschluss- und Umsteigemöglichkeiten. Brühwiler: „Man kann die Preise noch so senken, das ist nicht entscheidend: Das Netz muss gut sein.” In der Schweiz gebe es die unbedingte Akzeptanz des Öffentlichen Verkehrs in der Gesellschaft ebenso wie in der Politik. Dadurch fließe Geld in den weiteren Netzausbau – klima­freundlich und mit Ökostrom.

Mehr S- und U-Bahn

In diese Richtung zielt auch die Metropolregion Hamburg. Bürgermeister Tschentscher plant den Ausbau der Schnellverkehrssysteme auf der Schiene. Das S-Bahn-Netz soll erweitert und eine neue U-Bahn-Linie in west-östlicher Richtung bislang abgelegene Stadtteile besser erschließen. „Unser Schienennetz ist in den letzten hundert Jahren kaum noch gewachsen”, so Tschentscher. Das werde sich ändern. Die Diskussion um die Wiedereinführung der Straßenbahn – weder Zürich noch Wien hatten ihre Trams je aufgegeben – ist in Hamburg vorbei. Als Stadtbahn auf eigenem Gleiskörper nehme sie oberirdisch zu viel kostbaren Raum weg. Kay Uwe Arnecke, Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Nord und Chef der Hamburger S-Bahn: Wo eigene Tram-Trassen möglich wären, ließe sich mit Busspuren schneller eine kostengünstigere Verkehrslösung realisieren.

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Von Zürich und Wien sind die Verkehrsunternehmen an der Elbe in puncto Akzeptanz bei den Fahrgästen weit weg, verdeutlichte Henrik Falk, Chef der kommunalen Hochbahn AG. Es gebe immer noch wenige Umsteiger, und der Pkw-Verkehr lege zu. Lutz Aigner, Sprecher der Geschäftsführung des Hamburger Verkehrsverbundes, verwies auf nicht immer optimale „Verbindungsqualität”. Sollte die Zahl der Umsteiger massiv ansteigen, „dann haben wir ein Kapazitätsproblem”. Arnaud Boehmann von Fridays for Future aus Hamburg forderte: „Wir müssen uns mehr trauen” und Hamburg bis 2035 klimaneutral machen. Dem Bürgermeister schlug er vor, den motorisierten Individualverkehr aus der City zu verbannen – ganz diplomatisch: „Das möchte ich Ihnen ans Herz legen.”

Drei
Fragen an

Dr. Peter Tschentscher (SPD), Erster ­Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, zur Klima- und Verkehrspolitik in seiner Stadt

Herr Dr. Tschentscher, das aktuelle Klimapapier der Bundesregierung ist vielfach als zu halbherzig kritisiert worden. Sie haben sich auf der Metropolen-Konferenz in Ihrem verkehrspolitischen Statement positiv geäußert. Warum?
» Dr. Peter Tschentscher: Weil die Beschlüsse ein großer Fortschritt sind. Sie gehen auch weit über das hinaus, was die Grünen in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen mit FDP und CDU vereinbart hatten. Es ist das erste Mal, dass sich eine Bundesregierung konsequent und umfassend mit allen Themen und Sektoren befasst, die für den Klimaschutz wichtig sind. Vieles davon wurde lange gefordert und wird jetzt tatsächlich kommen: Bahnfahren wird günstiger, Fliegen wird teurer. Der Ausbau des Schienenverkehrs, die Entwicklung der Wasserstofftechnologie, ein umweltgerechter Gütertransport und die E-Mobilität. Bisher wurde viel über Ziele diskutiert. Jetzt ist zum ersten Mal ein konkreter Pfad beschrieben worden, um die Klimaziele auch zu erreichen. Es kommt jetzt darauf an, die Maßnahmen konsequent umzusetzen. Wichtig ist auch die Verbindlichkeit. Es wird jährlich kontrolliert, ob die erwarteten Wirkungen zur CO2-Reduzierung eintreten. Andernfalls werden weitere Maßnahmen ergriffen.

Was heißt das für Hamburg?
» Alles, was der Bund macht, hilft uns auch in Hamburg. Wir werden im Rahmen der Beratung des Klimapakets im Bundesrat voraussichtlich noch weitere Maßnahmen vorschlagen und in Hamburg unseren eigenen Klimaplan fortschreiben. Auch dabei kommt es mir darauf an, konkrete Maßnahmen festzulegen, die umsetzbar sind und uns praktisch voranbringen. Wir haben in Hamburg seit 2011 schon viele Maßnahmen eingeleitet, die heute wirken. Die Erhöhung des Anteils des Radverkehrs und des ÖPNV am Gesamtverkehr zum Beispiel. Wir setzen das konsequent fort, verbessern das Angebot von Bus und Bahn, bauen jedes Jahr viele Kilometer neue Radwege und auch wieder neue U- und S-Bahnen. Nach dem Rückkauf der Fernwärmegesellschaft machen wir die Fernwärme unabhängig von der Kohle und nutzen in Zukunft klimaneutrale Wärmequellen.

Gibt es Leuchtturmprojekte?
» Ja, zum Beispiel die neue U 5, die 150.000 Bürgerinnen und Bürgern einen direkten Einstieg in das Schnellbahnsystem ermöglicht. Oder die schon fertiggestellten Betriebshöfe für Elektrobusse. Als erste deutsche Großstadt haben wir damit die Infrastruktur geschaffen, um in Zukunft nur noch emissionsfreie Busse zu beschaffen und im Echtbetrieb einzusetzen. Ein „Leuchtturm“ sind auch die Innovationsprojekte unter dem Namen „New 4.0“. Das sind gemeinsame Innovationsprojekte von Wissenschaft und Unternehmen, um für die Industrie und die Energiewirtschaft neue klimafreundliche Technologien zu entwickeln, mit denen wir in Zukunft sehr viel CO2 einsparen können. Andere reden über Klimaschutz - wir setzen ihn um.

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