Europa
04.09.2018
Aktuell

„EU-Richtlinie füttert Datenkraken“

Die Mobilität der Zukunft basiert auch auf der Nutzung von Daten: Nur so lassen sich neue Angebote aufbauen, Dienstleistungen verbessern und verschiedene Anbieter intelligent vernetzen. Eine neue EU-Richtlinie könnte künftig jedoch den öffentlichen Verkehrsunternehmen Lasten auferlegen, die sich im Ergebnis als nachteilig für die Kunden erweisen.


Mit der App schnell einen Kleinbus ordern, der auf einer vorher nicht festgelegten Strecke Fahrgäste aufnimmt und sie ans gemeinsame Ziel bringt: Damit ihre Kunden innovative Angebote wie Ridesharing nutzen können, gehen „klassische“ ÖPNV-Unternehmen zunehmend Partnerschaften mit Anbietern neuer Mobilitätsdienstleistungen ein. Bevor sich die Kunden ein Fahrzeug teilen können, müssen die beteiligten Unternehmen ihre Daten austauschen. Ein aktueller Gesetzesvorstoß der EU könnte Kooperationen wie diese und damit die Innovationsfähigkeit der Verkehrsunternehmen sowie die Zusammenarbeit mit digitalen Start-ups akut gefährden.

Auf Kosten des Gemeinwohls

Die EU-Kommission will neu regeln, wie Informationen des öffentlichen Sektors weiterverwendet werden sollen (PSI-Richtlinie). Behörden und öffentliche Unternehmen, wie zum Beispiel kommunale Verkehrsunternehmen, sollen dazu verpflichtet werden, Daten aus ihrem Geschäftsbetrieb in großem Umfang an Dritte weitergeben zu müssen – auch an Wettbewerber. Für Privatunternehmen soll diese Verpflichtung nicht gelten. „Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, würde das massiv in die unternehmerische Freiheit und in den Wettbewerb eingreifen und die Verkehrsunternehmen bei der Entwicklung neuer digitaler Angebote erheblich beeinträchtigen“, sagt Dr. Jan Schilling, VDV-Geschäftsführer ÖPNV. Letztlich ginge das nicht nur zu Lasten der Fahrgäste, sondern zum Beispiel auch auf Kosten der Städte als Eigentümer und damit der Bürger: „Am Ende profieren nur große private Datenkraken, die oftmals im Ausland sitzen und hier kaum Steuern bezahlen. “

Die digitale Transformation und der Aufbau neuer Mobilitätsplattformen sind für die Verkehrsunternehmen mit Kosten verbunden. Für die müssen sie selbst aufkommen. Daten können dazu beitragen, die Wertschöpfung und den Kostendeckungsgrad öffentlicher Unternehmen, die häufig in nicht-kostendeckenden Märkten wie im Verkehr aktiv sind, zu verbessern. Das trägt dazu bei, die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Es müsse möglich bleiben, dass die Verkehrsunternehmen auch künftig die bei ihnen entstandenen Daten selbstbestimmt einsetzen dürfen und nicht zur kostenlosen Herausgabe verpflichtet werden, fordert Jan Schilling: „Wenn Daten das Öl der Zukunft sind, ist es unverständlich, dass uns dieser Rohstoff aus der Hand genommen werden soll. Im Übrigen sind diese Daten auch nicht mit öffentlichen Geldern bezahlt, sondern weitestgehend durch Fahrgeldeinnahmen finanziert.“

Derzeit besteht in der Branche der Konsens, Mobilitätsdaten aus unterschiedlichen Bereichen nutzbar zu machen – eine wichtige Voraussetzung etwa, um Angebote wie die brancheneigene Mobilitätsplattform „Mobility inside“ aufzubauen. Diese Reiseinformations- und Buchungsplattform soll ab 2019 alle Verkehrsunternehmen miteinander vernetzen. Sie soll es Kunden erleichtern, den ÖPNV und darüber hinaus gehende Mobilitätsangebote zu nutzen – von der Fahrplanauskunft bis zur Bezahlung.

WER FÜR DEN ÖPNV BEZAHLT – UND WEM DIE DATEN GEHÖREN

Sind Daten der öffentlichen Hand mit Steuergeldern erhoben worden und deshalb der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich zu machen? Diesem Argument von Open-Data-Aktivisten und Interessensvertretern der Digitalwirtschaft widerspricht der VDV: Mit Abstand die meisten ihrer Einnahmen erwirtschaften die Verkehrsunternehmen aus Fahrgeldern sowie darüber hinaus aus anderweitigen Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund kann dem VDV zufolge nicht argumentiert werden, dass die öffentliche Hand Eigentümer der in den Verkehrsunternehmen erhobenen Daten sei. Vielmehr gehörten die Daten denjenigen, die sie produzieren und erheben: also den Verkehrsunternehmen und kommen damit wiederum den Kundinnen und Kunden zu Gute.

Wie Daten fair ausgetauscht und dabei der Wettbewerb und die Digitalisierung im Verkehrssektor berücksichtigt werden können, hat der VDV in einem Positionspapier zusammengestellt. Es enthält weitergehende Informationen über die Public-Sector-Information-Richtlinie (PSI) der EU und macht Vorschläge, wie der aktuelle Entwurf angepasst werden könnte.

Das Positionspapier steht zum Download bereit unter:
www.vdv.de/positionensuche.aspx

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