Rückgrat der Mobilitätswende in den Städten
Sie bieten eine hohe Kapazität und lassen sich attraktiv ins urbane Bild integrieren: Straßenbahnsysteme können die Lebensqualität in den Städten spürbar erhöhen. Konzepte und Ideen, wie die kommenden Herausforderungen und die Mobilitätswende gemeistert werden, standen im Mittelpunkt der ersten VDV-Tram-Konferenz.
Um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, ist ein Viertel mehr Zugverkehr vonnöten. Dafür sei der lokale Nahverkehr das „Rückgrat“, sagte Hubert Jung, VDV-Vizepräsident und Vorstandsmitglied für den Verkehrsbetrieb der Dortmunder Stadtwerke, zu Beginn der hybriden VDV-Tram-Konferenz in Düsseldorf. Die gleiche Bedeutung für die Verkehrswende in den Städten misst auch sein Kollege Klaus Klar den kommunalen Schienensystemen zu. „Der Aufbau, Erhalt und Ausbau der Netze und Systeme muss hohe Priorität haben“, bekräftigte der Vorstandschef und Arbeitsdirektor der Düsseldorfer Rheinbahn. Folglich müssen Prozesse beschleunigt, Finanzierungen gesichert und Planungen konsequenter umgesetzt werden.
Zwei Tage lang ging es vor Ort und digital um die Potenziale von Tramsystemen – für den Klimaschutz, die nachhaltige Mobilität und die Lebensqualität in den Städten. Die Politik hat die Rahmenbedingungen für die Verkehrsunternehmen zuletzt an vielen Stellen verbessert. Das begünstigt den Ausbau der Schiene und ihrer Attraktivität. Die Erweiterung von Stadt- und Regionalbahnen sowie von U- und Straßenbahnen verbindet Klima- und Umweltfreundlichkeit sowie Nachhaltigkeit und bringt für die Menschen einen erheblichen Mehrwert mit einer lebenswerteren Stadtgestaltung mit sich.
Birgit Münster-Rendel (l.) berichtete aus Magdeburg über den Netzausbau der MVB. VDV-Vizepräsident Hubert Jung (r.) eröffnete die Konferenz.
Mit einer bundesweiten Angebotsoffensive und einem Ausbau des ÖPNV werden die Klimaschutzziele des Verkehrs bis 2030 erreicht, erläuterte Alexander Möller, Senior Partner bei Roland Berger. Deutschlandweit gehen die Gutachter von einer Steigerung der Fahrleistungen um 33 Prozent bei den Trams und um 20 Prozent bei Stadtbahnen mit Tunnelanteilen beziehungsweise U-Bahnen aus. Dafür fallen erhebliche Zusatzkosten an, wie eine Leistungskostenstudie des VDV aufzeigt („VDV Das Magazin“ berichtete). Die Gutachter von Roland Berger rechnen mit einem Mehrbedarf von insgesamt 48 Milliarden Euro bis 2030.
Als Positivbeispiel für eine Straßenbahnnetz-Erweiterung stellte Birgit Münster-Rendel, Geschäftsführerin der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB), den Bau der zweiten Nord-Südverbindung durch die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt vor: „Das ist der Grundstein für das Gelingen der Verkehrswende mit attraktiveren Verbindungen für die Fahrgäste.“ 30 Prozent mehr Fahrgäste sind das Ziel. Bei dem wichtigsten Infrastrukturprojekt der MVB seit mehr als 30 Jahren erhalten weitere 44.000 Magdeburgerinnen und Magdeburger eine Straßenbahnanbindung – drei Stadtteile sogar erstmalig. Um 13,5 Kilometer wird das Netz ausgebaut, was einer Erweiterung um ein Viertel entspricht. Insgesamt beläuft sich das Investitionsvolumen auf 270 Millionen Euro, gefördert mit GVFG-Mitteln. Durch den Bund werden 60 Prozent und durch das Land 30 Prozent gefördert. Zehn Prozent Eigenanteil tragen die MVB.
Dr. Volker Deutsch, VDV-Fachbereichsleiter Integrierte Verkehrsplanung und Verkehrssystemmanagement, blickte ins Jahr 2040 und stellte die zukünftige Straßenbahninfrastruktur sowie Möglichkeiten vor, den Verkehrsraum aufzuteilen. Zur Erhöhung der Betriebsqualität stellten zudem digitale Innovationen einen Themenschwerpunkt – etwa bei der Leit- und Sicherungstechnik in Frankfurt am Main sowie bei der Instandhaltung und optimalen Auslastung von Straßenbahnen durch die Prognose von Fahrgastströmen.