Mit der Zukunft verkuppelt
Digitaler, flexibler, effizienter: Der Schienengüterverkehr steht am Anfang einer neuen Ära. Nach und nach kommen Innovationen auf die Gleise – zunächst zur Erprobung. Dabei setzen die Unternehmen auf Kooperation. Wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen, muss der Marktanteil des Schienengüterverkehrs von derzeit etwa 18 auf 25 Prozent steigen: eine Gemeinschaftsaufgabe von Unternehmen und Politik.
Güterwagen zu kuppeln, ist Schwerarbeit – und gefährlich. Zunächst muss ein Rangierer zwischen die Waggons klettern, dann einen 20 Kilo schweren Bügel auf den Haken des anderen Wagens wuchten. Hinter dem Bügel dreht er dann an einem Schraubgewinde, um die Kupplung zu spannen. Außerdem müssen Bremsleitungen angeschlossen werden. Das Ganze wird pro Zug zigfach wiederholt, kostet viel Zeit und Geld und geht im Schienengüterverkehr seit mehr als 100 Jahren so. Nur einer von verschiedenen Gründen, warum der Gütertransport auf der Schiene gegenüber dem Lkw manchem als zu umständlich und zu teuer gilt.
„Digitale Revolution“
Wie die Zukunft aussieht, hat die Deutsche Bahn auf dem Gelände von DB Systemtechnik im westfälischen Minden demonstriert. Die Bahntochter DB Cargo hat Waggons testweise mit einer Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) ausgerüstet. Die DAK verbindet die Wagen mechanisch miteinander sowie die Luftleitungen für die Bremse und eine Strom- und Datenbusleitung. Alles automatisch und ohne Handarbeit. „Die DAK öffnet die Tür zu einer umfassenden Automatisierung und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs“, sagt Prof. Dr. Sabina Jeschke, DB-Vorstand für Digitalisierung und Technik: „Die Einführung der DAK bedeutet deshalb eine digitale Revolution für den Güterverkehr auf der Schiene.“ Güterzüge zusammenzustellen, wird mit der DAK wesentlich schneller und einfacher. „Das stärkt besonders den Einzelwagenverkehr als grüne Alternative zum Lkw“, betont Dr. Sigrid Nikutta, DB-Vorstand Güterverkehr und Vorstandsvorsitzende DB Cargo: „Güter auf der Schiene zu transportieren, ist der einfachste Weg, das Klima zu schützen.“ Im Rahmen des bis Ende 2022 laufenden Forschungsprojekts wird die DAK unter anderem in einem Testzug samt Alltagsbetrieb in den Rangierbahnhöfen erprobt. Mit 13 Millionen Euro finanziert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) diesen Test. Beteiligt ist ein Konsortium von sechs Unternehmen. Neben der DB und DB Cargo sind dies die schweizerischen und die österreichischen Güterbahnen SBB Cargo und Rail Cargo Austria sowie die Wagenhalter Ermewa, GATX Rail Europe und VTG. Ihr Ziel lautet: europaweite Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung.
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Zudem sollen neue Tragwagen, die nach dem Baukastenprinzip konfiguriert und mit einer passenden Ladeeinheit bestückt werden können, dem Schienengüterverkehr zu mehr Flexibilität und einer höheren Produktivität verhelfen. Entwickelt wurde das Wagensystem von DB Cargo und Europas größtem Waggonvermieter, der VTG AG. „Jetzt haben wir die Flexibilität, mit geringem Aufwand von einem Gut auf das andere zu wechseln“, sagt DB-Vorstand Sigrid Nikutta. Das System basiert auf einer in der Länge variablen Plattform. Die einzelnen Bauteile sind nicht verschweißt, sondern werden mit schraubbaren Bolzen zusammengehalten. Auf diese Weise kann der Wagen innerhalb von wenigen Tagen umgebaut werden. Außerdem erlaubt das optimierte Gewicht der Tragwagen eine höhere Zuladung. Dr. Heiko Fischer, Vorstandsvorsitzender der VTG, erläutert, dass bei der Entwicklung der Wagen die Anforderungen der Verlader im Mittelpunkt standen: „Der Wagenpark muss sich den einzelnen Gutarten anpassen, um Kunden für die Schiene zu begeistern.“ Beide Unternehmen streben nun die Zulassung innerhalb des ersten Quartals 2021 an.
Zudem will DB Cargo seine Triebfahrzeugflotte modernisieren und beschafft bis zu 400 sogenannte Zweikraftlokomotiven für den Strecken- und Rangierdienst. Die Loks können sowohl elektrisch als auch mit Diesel fahren.