Finanzierung
20.11.2023

700

Millionen Euro

werden in das
neue Haushaltsjahr
übertragen, weil das
D-Ticket erst zum 1. Mai,
nicht zum 1. Januar
starten konnte.

Deutschland-Ticket:

Es bleibt eine Hängepartie

Der Fortbestand des Hoffnungsträgers Deutschland-Ticket erscheint zumindest kurzfristig gesichert. Nachdem sich Bund und Länder nur halbherzig auf eine Finanzierung der Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen geeinigt haben, soll nun ein Konzept für die Zeit ab dem Jahr 2024 erarbeitet werden. Die Branche kämpft darum, dass das D-Ticket ein Erfolg bleibt und nicht im Finanzierungsstreit zerredet wird.





Das D-Ticket wird es auch 2024 geben, doch die Frage der Finanzierung ist weiterhin nicht abschließend und vollständig beantwortet. Bund und Länder haben sich entschieden, ihre Zuschüsse zu deckeln. Deshalb dürfte auch der „Einführungspreis“ von 49 Euro vielleicht nur noch bis ins nächste Jahr hinein Bestand haben. Die Krisensitzung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten am Abend des 6. November war kaum vorbei, da hagelte es bereits Kritik insbesondere von Umweltschutzorganisationen. Wenn jederzeit mit einer Preiserhöhung zu rechnen sei, „dann würgt das den Erfolg des Tickets ab“, sagte beispielsweise eine Greenpeace-Sprecherin. Auch der Verbraucherschutz übte Kritik in derselben Richtung: „Planungssicherheit sieht anders aus“, erklärte Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands: „Wer den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr will, muss dafür sorgen, dass er bezahlbar ist.“

Alle aktuellen Themen zum Deutschland-Ticket finden Sie unter: www.vdv.de/deutschlandticket

Den lang schwelenden Konflikt um die Co-Finanzierung des Deutschland-Tickets hat die Spitzenrunde beim Kanzler mit einem Kompromiss nur zeitweise gelöst. Für das laufende Jahr hatten Bund und Länder drei Milliarden Euro für die Einnahmeverluste der Verkehrsbranche zur Verfügung gestellt. Da das Ticket erst im Mai startete, werden davon voraussichtlich 700 Millionen übrig bleiben, die nun in die Finanzierung der Verluste von 2024 eingehen sollen. Wie der VDV vorrechnet, fehlen 2024 aber mindestens weitere 400 Millionen Euro, um die durch das günstige Ticket gesunkenen Fahrgeldeinnahmen auszugleichen. Hierbei handelt es sich zunächst um eine Schätzung. Bei der Einführung des D-Tickets hatten Politik und die Branche vereinbart, erst nach dem Jahr 2024 das neue Angebot mit den dann vorliegenden Zahlen zu bewerten. Diese Einschwungphase sollte dazu dienen, neue Fahrgäste an den D-Fahrschein und den ÖPNV zu gewöhnen. Durch die bestehende Unsicherheit sowohl für Unternehmen als auch für Fahrgäste kann diese Idee nur noch schwer aufrechterhalten werden.

„Debatte geht in die Verlängerung“

So sieht VDV-Präsident Ingo Wortmann den Beschluss der Politiker zwar als „gutes Signal“, aber nur „für den kurzfristigen Fortbestand des Deutschland-Tickets“. Mit der Entscheidung „geht die Debatte um die Zukunft des Tickets also in die Verlängerung“. Als weniger sportlich empfinden Verkehrspolitiker und die Branche die Haltung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in den seit Monaten schwelenden Auseinandersetzungen um die Finanzierung des D-Tickets. „Zu sagen, wir geben anderthalb Milliarden, und alle Finanzierungsfragen sind geklärt, das ist unanständig vom Bund“, hatte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff im Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wenige Tage vor dem Bund-Länder-Treffen gesagt.

Zu sagen, wir geben anderthalb Milliarden, und alle Finanzierungsfragen sind geklärt, das ist unanständig vom Bund.

Oliver Wolff ,
VDV-Hauptgeschäftsführer im
FAZ-Interview

Kopfschütteln und Unverständnis löste bei den Verkehrsunternehmen Wissings frontaler Angriff auf die Landesverkehrsminister nach der Sitzung beim Kanzler aus. Die Bundesländer hätten eine „vollkommen überflüssige“ Debatte losgetreten, erklärte Volker Wissing nach der Konferenz. „Außer einer Verunsicherung der Verbraucher haben sie damit nichts erreicht.“ Die Länder sollten am Erfolg des Deutschland-Tickets arbeiten und aufhören, „es ohne Not infrage zu stellen“.

Die Ministerpräsidentenkonferenz beschloss weiterhin, von den Länderverkehrsministerien ein Konzept zur Durchführung des Deutschland-Tickets ab dem Jahr 2024 erarbeiten zu lassen. „Der VDV bietet als Branchenverband hierzu seine Mitarbeit an. Wir gehen davon aus, dass dieses zu erarbeitende Konzept nicht nur von hoher Sachlichkeit und Fachlichkeit getragen sein wird, sondern, dass sich auch alle Beteiligten dann an die Vereinbarungen in diesem Konzept halten werden“, erklärte Oliver Wolff. In einem zukunftsfähigen Konzept für das Deutschland-Ticket dürfen Lösungen für Studierende und das Jobticket nicht fehlen, betonte Verbandspräsident Ingo Wortmann.

Der Beschluss der Spitzenrunde verliert außerdem kein Wort zu einer Weiterentwicklung für branchenseitig angedachte D-Ticket plus-Konzepte, etwa zur Mitnahme von Kindern, Partnern oder Hunden.

Kampagne für das D-Ticket Job

Unterdessen läuft seit Ende Oktober auf verschiedenen Kommunikationskanälen eine Info- und Verkaufsförderungskampagne zum „D-Ticket Job“. Um vor allem auch kleinere und mittlere Unternehmen anzusprechen, kooperiert der VDV mit diversen Industrie- und Handelskammern, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sowie mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und dem Verband der Bahnindus­trie (VDB). Die Kampagne richtet sich an Entscheiderinnen und Entscheider in den Unternehmen sowie an die Beschäftigten – etwa mit den Aufforderungen „Finden Sie Ihren passenden Anbieter für das D-Ticket Job“ und „Frag deinen Arbeitgeber nach dem D-Ticket Job“.

Beschäftigte zahlen 34,30 Euro

Das D-Ticket Job wird von Bund und Ländern mit fünf Prozent preislich ermäßigt, wenn der Arbeitgeber mindestens 25 Prozent als zusätzlichen eigenen Anteil übernimmt und an die Arbeitnehmerschaft weitergibt. Bislang ist die Fünf-Prozent-Rabattierung bis Silvester 2024 befristet. Für Beschäftigte ergibt sich dadurch ein Endpreis von maximal 34,30 Euro pro Monat im Abo. Wie das Deutschland-Ticket gilt auch das D-Ticket Job in allen Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland in der 2. Klasse (Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen, RB-, RE- oder S-Bahnen), nicht jedoch im Fernverkehr.

Weitere Infos unter:

job.d-ticket.info

Drei
Fragen an

VDV-Präsident Ingo Wortmann zur Finanzierung des Deutschland-Tickets und zum Beschluss von Bund und Ländern 


Herr Wortmann, die Bund-Länder-Konferenz hat entschieden. Wie bewerten Sie den Beschluss und wie geht es nun mit dem Deutschland-Ticket weiter?
» Ingo Wortmann: Der Beschluss sichert zumindest kurzfristig die Zukunft des Deutschland-Tickets, weil die Ausgabereste, die wir dieses Jahr nicht für den Verlustausgleich benötigt haben, übertragen werden können. Langfristig ist die Finanzierung des Deutschland-Tickets aber nach wie vor offen und das Spiel geht in die Verlängerung. Das Glas ist also halbvoll, stillt aber nicht den Durst.

Die aktuellen Verkaufszahlen stagnieren: Wo sehen Sie die größten Hebel, um noch mehr Menschen vom D-Ticket zu überzeugen?
» Ein ganz zentraler Punkt wird sein, dass die beteiligten Akteure jetzt nicht weiterhin permanent in der Öffentlichkeit die Zukunft des Tickets infrage stellen. Die Ministerpräsidenten und der Kanzler haben entschieden, dass dieses erfolgreiche Projekt weitergeführt werden soll. Also ist es unser gemeinsamer Auftrag, das Deutschland-Ticket so erfolgreich wie möglich am Markt zu platzieren. Dazu müssen Lücken bei Ticketangebot, wie etwa für Studierende, geschlossen werden. Eine Verlängerung des rabattierten Jobtickets über 2024 hinaus wäre ebenfalls hilfreich. Und wir müssen das Ticket mit positiver Überzeugung vermarkten.

Was muss künftig auch in der Zusammenarbeit der Akteure besser werden, damit das D-Ticket dauerhaft ein Erfolg wird und bleibt?
» Wieder mehr fachlich und lösungsorientiert miteinander diskutieren. Natürlich gibt es noch viel zu tun und auch zu verbessern, aber die grundsätzliche Entscheidung wurde längst getroffen, und die damit verbundene Transformation der ÖPNV-­Tariflandschaft hat begonnen. Ob das Ticket dauerhaft erfolgreich sein wird, das bleibt abzuwarten. Wir müssen es aber wenigstens mit aller Kraft und gemeinsam versuchen, sonst bleibt es ein sehr teures Experiment, das bei einem Scheitern viel an Vertrauen in den ÖPNV und an Image zerstören kann.

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