„Wir setzen auf das Digitale Lernen“
Die Coronakrise als Chance begreifen und „geschenkte“ Zeit zur beruflichen Fortbildung sinnvoll nutzen: Diese Möglichkeit bietet die VDV-Akademie allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Mobilitätsbranche. Zahlreiche Informations- und Lernangebote stehen in der „Bildungsbox“ zur Verfügung: digital und ohne Kosten.
Abstand halten und soziale Distanz lauten die Gebote der Stunde. Auch für die Qualifizierung im Beruf gilt: Das Lernen in Gruppen und mit Lehrpersonal findet nur eingeschränkt statt – wenn überhaupt. Parallel zum Präsenzlernen kommen in der beruflichen Bildung seit Jahren verstärkt digitale Lernangebote zum Einsatz. Aktuell gewinnt diese Entwicklung ähnlich wie der allgemeine Trend zur Digitalisierung zusätzlich an Schub. „Was im Moment in den Unternehmen passiert, wird deutliche Auswirkungen auf die Arbeit der Zukunft haben“, ist sich Michael Weber-Wernz, Geschäftsführer der VDV-Akademie, sicher.
Die VDV-Akademie hat kurzfristig reagiert und ihre Online-Angebote ausgebaut. Für die Zeit in der Coronakrise können sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsbranche kostenfrei mit der „Bildungsbox“ fortbilden. Seit Anfang April ist das Angebot online. „Die Plattform dient dazu, dass sich Menschen selbstorganisiert weiterbilden, die im Homeoffice, im Überstundenabbau oder in Kurzarbeit sind“, erläutert Michael Weber-Wernz: „Wir verstehen das Angebot als Service für die Verkehrsunternehmen und ihre Beschäftigten.“
Die Inhalte der Bildungsbox sind dabei so vielfältig wie die Branche selbst: Betrieb und Technik, Qualität und Recht, Marketing und Vertrieb, Gesundheit und Sicherheit, Personal und Bildung sowie Innovation und Zukunft sind die sechs Kategorien, die zur Auswahl stehen. Das gebündelte Wissen ist in abwechslungsreichen Formaten aufbereitet: Videos, Podcasts, Web-Based-Trainings, Webinare, Powerpoint-Präsentationen und Experten-Talks. Damit beim selbstständigen Lernen Spaß und Interaktivität nicht auf der Strecke bleiben, können Nutzer ihr Wissen in Fragespielen prüfen, beispielsweise zur Verkehrsplanung oder zum Personenbeförderungsgesetz. Hinzu kommen Lernvideos und Trainings auf der E-Learning-Plattform KnowHow@ÖV („VDV Das Magazin“ berichtete) sowie Mitschnitte von Vorträgen, die in den vergangenen drei Jahren bei Veranstaltungen der VDV-Akademie und des VDV entstanden sind und die bis dahin nur Lehrgangsteilnehmern in der Bibliothek des Lernnetzes - ein digitales Lernportal - zur Verfügung standen. Viele digitale Inhalte steuern auch Unternehmen und Bildungseinrichtungen bei. Dieser breite Unterstützerkreis fördert die Bildungsbox und die Idee dahinter von Anbeginn. „Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen dieses Angebot ausprobieren“, sagt Michael Weber-Wernz. Es richtet sich unter anderem an Personal im Fahrdienst, im Service und in Werkstätten sowie an unterschiedliche Profile wie Ingenieurs- und Technikberufe sowie Betriebsleitungen.
Zeitlich und örtlich ungebunden lernen
Während Präsenzveranstaltungen beziehungsweise die Präsenzlehre in der Coronakrise schwierig oder nicht umsetzbar sind, bietet Digitales Lernen eine Reihe von Vorteilen. „Wer online lernt, ist zeitlich und örtlich ungebunden. Lernende können sich in viel größerem Maße selbst organisieren, als das beim Präsenzlernen der Fall ist“, erläutert Michael Weber-Wernz. Zudem leiste E-Learning einen Beitrag, Bildung zu demokratisieren: „Die Inhalte erreichen über das Netz viel mehr Menschen.“
Die zuletzt stark gestiegene Nachfrage nach digitalen Lerninhalten trifft die VDV-Akademie nicht unvorbereitet. In den vergangenen Jahren hat sich die Bildungstochter des VDV bei ihren Lehrgängen und Veranstaltungen umfangreiches Know-how erarbeitet. Entstanden ist ein Fundus aus Inhalten sowie vielfältigen Kompetenzen und Qualifikationen, der über die Bildungsbox nun ohne Zugangsbeschränkungen, Registrierung und Gebühren einem breiten Nutzerkreis zugänglich ist. „Wir haben ein niedrigschwelliges Angebot geschaffen und Inhalte öffentlich gemacht, die normalerweise Geld kosten“, erläutert Michael Weber-Wernz. Diese Inhalte waren zuvor nur einem begrenzten Nutzerkreis über das Online-Lernnetz der VDV-Akademie angeboten worden. „Insbesondere auch die Unternehmen, die selbst keine E-Learning-Inhalte für ihre Beschäftigten entwickeln oder auf solche zugreifen können, sind dankbar für solche digitalen Bildungs- und Informationsangebote.“
Seit ihrem Start Anfang April wurde die Bildungsbox nach und nach um weitere Angebote ergänzt – etwa Themen aus dem Fortbildungsgesetz für Berufskraftfahrer und Seminare von verschiedenen Fahrlehrern für Kolleginnen und Kollegen im Busfahrdienst. „Hier können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielleicht auf eine ganz andere Art und Weise Themen kennenlernen, die für ihre Qualifizierung notwendig sind – allerdings ohne Prüfungen und Zertifikate.“
Der Geschäftsführer der VDV-Akademie wertet die positiven Reaktionen aus den Personalabteilungen der Verkehrsunternehmen und die Nutzerzahlen im April und Mai als Bestätigung für den eingeschlagenen, digitalen Kurs. „Wir sehen das als finanzielles und ideelles Investment in die Zukunft der VDV-Akademie.“ Seit ihrem Start hatte die Bildungsbox 25.000 Klicks. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich - neben den Interview-Formaten Digi-Talk und Podcast - Lernangebote aus den Kategorien „Betrieb und Technik“, aber auch Angebote aus dem Themenbereich Mitarbeitergesundheit wie etwa zu Resilienz. Digitale Bildungsangebote werden in nächster Zeit als „Assistenzsysteme“ für etablierte Formate des Lernens und der Qualifizierung an Bedeutung gewinnen. Auch in Zukunft wird praxisnahes Wissen, das durch Trainerinnen und Trainer sowie durch Lehrkräfte vor Ort vermittelt wird, seinen hohen Stellenwert behalten.
Unabhängig davon will die VDV-Akademie ihren Weg, Lerninhalte zunehmend zu digitalisieren, konsequent weiterverfolgen. „Im Moment sind Angebote wie die Bildungsbox für uns eine Art Experimentierfeld, auf dem wir Erfahrungen sammeln“, erläutert Michael Weber-Wernz. Denn neben der „analogen“ VDV-Akademie, wie sie sich in der Branche einen Namen als Bildungsträger gemacht hat, steht der Aufbau einer Digitalen Mobilitätsakademie (DMA) an. „Dann werden wir noch viel mehr an digitalen Lerninhalten und Funktionen bieten“, stellt Weber-Wernz in Aussicht. Startklar soll die DMA in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 sein – dann aber nicht mit kostenlosen Lerninhalten, sondern als Bezahlmodell.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.vdv-akademie.de/bildungsbox
Interview
„Lernen ist auch ein sozialer Prozess“
Welche Bedeutung das digitale Lernen unter den aktuellen Bedingungen und künftig für die Verkehrsunternehmen hat, erläutert Claudia Güsken (Foto). Sie ist Vorständin Personal und Betrieb bei der Hamburger Hochbahn AG und leitet den VDV-Personalausschuss.
Frau Güsken, wie arbeiten Sie unter Corona-Bedingungen?
» Claudia Güsken: Ich wechsele zwischen Homeoffice und Büro hin und her. Als Vorständin Personal und Betrieb leite ich den Krisenstab, der seit Wochen bereichsübergreifend und dezentral arbeitet – unter anderem per Videokonferenz und mit mobilen Endgeräten. Allerdings fehlt mir dabei schon der persönliche Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wie organisieren Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem VDV-Personalausschuss die Mitarbeiterführung auf Distanz?
» Führung auf Distanz ist für unsere Führungskräfte in vielerlei Hinsicht eine neue Herausforderung – von der Ausstattung mit IT-Equipment bis hin zu neuen Kommunikationsformen. Aus meiner Sicht ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor, auch Führungskräften im Umgang mit digitalen Medien und beim Führen auf Distanz Sicherheit zu geben – etwa durch Schulungsangebote. Schließlich kommt es darauf an, auch in Phasen der Unsicherheit Orientierung zu vermitteln, klare Erwartungen zu formulieren und gleichzeitig ein offenes Ohr für die Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben. Basis hierfür ist Vertrauen, damit die Zusammenarbeit auch in herausfordernden Zeiten gelingen kann.
Welche Rolle spielen bei der Hamburger Hochbahn AG die digitalen Lernangebote zur beruflichen Bildung?
» Dank der digitalen Medien bleiben wir momentan handlungsfähig. Neben den virtuellen Austauschmöglichkeiten kommt es mehr denn je auch auf onlinebasierte Lernangebote an. Mit ihnen können wir trotz Kontakteinschränkungen schnell und flexibel unser Wissen und unsere Kompetenzen erweitern. Wie gut das Online-Lernen gelingt, hängt jedoch auch von der digitalen Reife des Unternehmens ab – technologisch und kulturell.
Die Coronakrise ist irgendwann zu Ende. Wie geht es dann weiter?
» E-Learning ist eine große Chance. Für die Zukunft geht es für uns darum, die richtigen Schlüsse aus den Lernerfahrungen zu ziehen und auch in Nicht-Krisenzeiten das analoge mit dem digitalen Lernen gut zu verbinden. Ausgewählte Inhalte, neues Fachwissen, Hintergrundinformationen können sehr gut online vermittelt werden. Gleichzeitig ist Lernen auch ein sozialer Prozess, und Themen wie die Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitergespräche etc. sollten auch in Verbindung mit persönlichem Kontakt trainiert werden.
Welche Erfahrungen machen die Hamburger Hochbahn AG und andere VDV-Unternehmen mit E-Learning?
» Bei der Hochbahn merken wir, dass E-Learning kein Selbstläufer ist, insbesondere im Fahrdienst mit Schichtarbeit. Wie andere Verkehrsunternehmen auch befinden wir uns mitten in einem Wandel der Lernkultur. Gut in diesen Wandel passt die Bildungsbox der VDV-Akademie. Sie hat ein vielfältiges Angebot, das selbstorganisiertes Lernen ermöglicht.
Was wünschen Sie sich von der Politik, damit die berufliche Bildung digitaler wird?
» Es ist erforderlich, weiter verstärkt die Digitalisierung in beruflichen Bildungseinrichtungen zu fördern und finanziell zu unterstützen. Das bedeutet nicht nur, IT-Equipment bereitzustellen, sondern auch die Lehr- und Lernprozesse strukturiert und kontinuierlich anzupassen.
Was wünschen Sie sich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
» Neugier und Lust auf die neuen Formate und Angebote! Immer mehr Menschen haben Zugang zu digitalen Lerninhalten. Wer sich darauf einlässt, entdeckt eine Menge neuer Möglichkeiten. Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg zu digitalen Veränderungen ihren Blick stärker auf diese Chancen richten, ist einer meiner großen Wünsche.