Der Rückzug des Bundes aus der E-Busförderung und kein klares Bekenntnis zur Finanzierung des Deutschland-Tickets über das Jahresende hinaus: Das sind nur zwei der Themen, die den Vertreterinnen und Vertretern der Verkehrsbranche derzeit die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Es lief schon mal besser für die Mobilitätswende. Ob sie wohlmöglich sogar von der Politik komplett ausgebremst wird, ist das Thema einer Reihe von regionalen Diskussionsveranstaltungen, die DB Regio und der VDV ins Leben gerufen haben.
Deutschland braucht einen attraktiven und leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr – und die entsprechenden Investitionen: Die Botschaft ist bekannt. Allein fehlt es mancherorts an politischem Willen und finanziellen Möglichkeiten. „Wenn die Mobilitätswende nicht scheitern soll, muss der Fokus öffentlicher Debatten dringend auf Themen wie Angebot, Finanzierung oder Digitalisierung gerichtet werden“, sagt Alexander Möller, VDV-Geschäftsführer für den Bereich ÖPNV: „Das Deutschland-Ticket allein reicht nicht.“
Diesen Beitrag zur politischen Willensbildung und zur Herstellung eines breiten gesellschaftlichen Einvernehmens wollen DB Regio und der VDV mit der Reihe „Mobilitätswende ausgebremst?“ leisten. Angebotsausbau, fehlende Arbeitskräfte, Digitalisierung, unsichere Finanzierung und politische Unsicherheiten: Der Nahverkehr steht vor großen Herausforderungen.
Den Auftakt machten im Sommer zwei Veranstaltungen in Frankfurt und Stuttgart, bei denen auch Kaweh Mansoori, Wirtschafts- und Verkehrsminister von Hessen, und sein baden-württembergischer Kollege Winfried Hermann mitdiskutierten. Jeweils rund 120 Gäste verfolgten die Diskussionen vor Ort und mehrere hundert Zuschauerinnen und Zuschauer im Livestream.
In Stuttgart hatte Winfried Hermann (Grüne) „echte News“ dabei: Kurz zuvor hatte die grün-schwarze Landesregierung nach monatelangen Verhandlungen das Mobilitätsgesetz auf den Weg gebracht. Es schafft unter anderem die Grundlage für die Einführung eines sogenannten Mobilitätspasses. Kommunen sollen damit die Möglichkeit haben, mit einer Nahverkehrsabgabe den Ausbau ihres ÖPNV zu finanzieren. Winfried Hermann bezeichnete das als „großen Durchbruch“. Zuvor hatte Moderator Andreas Geldner die Ergebnisse einer Umfrage unter Leserinnen und Lesern der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung präsentiert. Grundsätzlich wären etwa drei Viertel bereit, für den ÖPNV-Ausbau mehr zu bezahlen: fünf Prozent über Fahrpreise, 20 Prozent über Abgaben und 51 Prozent über Steuern.
Um die Finanzierungslücke im Nahverkehr zu schließen, regte Prof. Dr. Alexander Pischon an, von den mehr als 30 Milliarden Euro an teils klimaschädlichen Subventionen im Verkehrsbereich, darunter das Dienstwagenprivileg, „zehn bis 15 Prozent nicht abzuschaffen, aber klüger zu verteilen“. Der Vorsitzende der VDV-Landesgruppe Baden-Württemberg und Geschäftsführer des Karlsruher Verkehrsverbunds machte eine einfache Rechnung auf: „Alle Menschen zwischen 18 und 65 zahlen 20 Euro im Monat für Verkehr und fahren dafür frei – bundesweit wie beim Deutschland-Ticket: Das würde funktionieren, wenn wir alle nehmen.“
„Perspektive für das D-Ticket schaffen“
Politisch interessant war auch die Diskussion in Frankfurt. Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Kaweh Mansoori (SPD) forderte, das Deutschland-Ticket zu einem dauerhaften Angebot zu machen – und stellte sich damit gegen einen Parteitagsbeschluss seines Koalitionspartners CDU. Die hessischen Christdemokraten hatten sich kurz zuvor auf ihrem Landesparteitag dafür ausgesprochen, das D-Ticket auslaufen zu lassen. „Das Deutschland-Ticket ist die größte Innovation bei Bus und Bahn seit Jahrzehnten, und deswegen müssen wir dafür eine Perspektive schaffen“, betonte Kaweh Mansoori.
Aus Sicht der Verkehrsunternehmen und -verbünde forderte Prof. Knut Ringat, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) und VDV-Vizepräsident, langfristige Garantien für die Fortführung des D-Tickets. Nötig sei „eine vernünftige Finanzierung für fünf oder besser für zehn Jahre“. So hätten die Verkehrsverbünde die Chance, ihre Tarifangebote weiter zu vereinfachen, die Tickets verstärkt an Automaten zu verkaufen und Vertriebskosten einzusparen.
Nicht nur mit den Entscheiderinnen und Entscheidern aus Politik, Kommunen, Wirtschaft und der ÖPNV-Branche werden bei „Mobilitätswende ausgebremst?“ die regionalen und überregionalen Verkehrsthemen diskutiert, sondern auch mit den Menschen, um die es eigentlich geht: die Nutzerinnen und Nutzer von Bussen und Bahnen.
Medien beleuchten Nahverkehr vor Ort
Zum Konzept der Veranstaltungsreihe gehört auch die Begleitung durch Beiträge in den Medien der jeweiligen Region. Die Rhein-Main-Zeitung der F.A.Z. als eine der reichweitenstärksten Tageszeitungen der Region und das Verlagshaus Stuttgart mit der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten als reichweitenstärkste Tageszeitungen Baden-Württembergs beleuchteten in mehreren redaktionellen Beiträgen und Interviews ihrer Print- und Onlinemedien die Situation des Nahverkehrs vor Ort. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen zudem bundesweite Sonderveröffentlichungen zum Thema.
Durch die Reaktionen auf die ersten beiden Diskussionsrunden und die Medienkooperationen fühlen sich die Veranstalter nun bestärkt, die Reihe in anderen Regionen fortzusetzen. Für den Spätherbst sind zwei weitere Formate vorgesehen, ehe sie in 2025 fortgeführt werden.