Herr Gales, über viele Jahre waren Sie in führenden Positionen der Autobranche tätig, unter anderem bei Citroen, Peugeot und Lotus sowie bei Williams Advanced Engineering. Seit 2023 „bauen“ Sie Busse. Was reizt Sie an diesem Geschäft?
» Jean-Marc Gales: Busse faszinieren mich, denn sie sind rollende Hochleistungscomputer. Und sie sind schick, wie jeder zum Beispiel in London beim Anblick unserer knallroten New Routemaster sehen kann. Egal in welchem Business: Mir geht es immer darum, das Geschäft zu skalieren, es auf künftiges Wachstum einzustellen und auf die Gewinnspur zu führen.
Im Oktober 2024 sind die ersten Busse von Wrightbus über den Seeweg nach Deutschland gelangt. Zunächst erhält die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) 31 „Kite Hydroliner FCEV“. Außerdem stehen schon rund 120 weitere Wasserstoff-Brennstoffzellenbusse in ihrem Auftragsbuch, allein für Kunden in der Bundesrepublik. Warum konzentrieren Sie sich als erstes auf diese Antriebsart?
» Ganz einfach: In Europa gibt es nicht so viele Wettbewerber in diesem Bereich für einstöckige Linkslenker-Busse. Und es sind noch weniger Hersteller, die sehr effizient und zuverlässig arbeiten. Wrightbus kann hier viel Erfahrung und Erfolge vorweisen.
Welche zum Beispiel?
» Wir stellen schon seit 2006 Wasserstoffbusse her. Unsere StreetDeck Hydroliner waren sogar weltweit die ersten wasserstoffbetriebenen Doppeldecker-Busse, die in Serie produziert wurden. 2020 gingen sie an den Start, zunächst in Aberdeen an der schottischen Nordseeküste. Bis dato hat Wrightbus mehr FCEV-Busse produziert als alle anderen Hersteller in Europa. Inzwischen sind mehr als 200 unserer Wasserstoffbusse in UK im Einsatz; sei es in London, Belfast oder Liverpool. Rund 5,8 Millionen Kilometer haben sie zurückgelegt. Das entspricht einer CO2-Einsparung von mehr als 5.000 Tonnen, verglichen mit EURO 6 Dieselbussen.
Gibt es weitere Gründe, die für den Kite Hydroliner sprechen?
» Schon die zu 1.000 Kilometer Reichweite, die ein solcher Bus erzielt, sprechen für sich, außerdem die geringe Betankungszeit von rund acht Minuten. Der Kite Hydroliner eignet sich hervorragend für bergige Regionen und ist äußerst wetterfest. Außerdem lässt er sich gut fahren und bedienen, um nur einige weitere Pluspunkte zu nennen.
Auf dem europäischen Markt herrschen andere Vorgaben für Busse als in Großbritannien. Wie gut sind Sie darauf eingestellt?
» Bestens! Unsere Busse für den europäischen Markt entsprechen den vielen strengen VDV-Regulatorien und den GSR II-Vorgaben, also der General Safety Regulation.
Wie viele Busse produziert Wrightbus pro Jahr? Und wie viele davon sind emissionsfrei?
» In 2024 schaffen wir mehr als 1.000 Busse. 2025 werden es voraussichtlich 1.200 sein. Emissionsfrei waren 2023 etwa 85 Prozent unserer Busse, also entweder FCEV oder batterie-elektrisch (BEV). 2025 dürfte der Anteil der Wasserstoffbusse auf 15 Prozent steigen. Sie sind einfach gut, denn sie ermöglichen es, über lange Strecken zu agieren, rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Übrigens kommen wir ab 2025 auch mit unseren Elektrobussen auf den Kontinent. Sie dürfen gespannt sein …
Was sagen Sie dazu, dass die Förderung für Wasserstoffbusse in Deutschland eingeschränkt wurde?
» Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs. Und ich bin davon überzeugt: Deutschland und Europa haben eine echte Chance, mit der richtigen Industriepolitik und mit innovativen Verkehrsunternehmen weltweit führend im Bereich Wasserstoff zu werden.
Inwieweit behindert der Brexit Ihre Wirtschafsbeziehungen zu Deutschland und der EU?
» Ganz einfach: Wrightbus betrifft das nicht. Wir haben unseren Sitz in Nordirland. Das gehört zwar zum Vereinigten Königreich Großbritannien. Gleichzeitig wird Nordirland aber so behandelt, als wäre es Teil des Zollgebiets der EU. Also keine Sorge, wenn Sie einen Bus bei Wrightbus ordern: Zölle fallen dafür nicht an.
Übrigens freut es mich außerordentlich, dass unser britischer Premier Sir Keir Starmer so schnell nach seiner Wahl zu einem Antrittsbesuch nach Berlin gekommen ist. Besser konnte er kaum zeigen, wie wichtig ihm intensivere Beziehungen zu Deutschland sind. Nun wird ein bilateraler Kooperationsvertrag vorbereitet, der auch den Handel einschließt. Das ist ein sehr vielversprechender Neustart nach dem Brexit!
Vielen Dank für das Gespräch!