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6 Min
13. November 2024

VW Bulli auf Schienen

Ein Bulli auf Schienen – vor Jahrzehnten Betriebsalltag bei der alten Bundesbahn, heute eine Oldtimer-Sensation: In den 1950er-Jahren wurden VW-Transporter zu Draisinen umfunktioniert. Einer davon ist zum Prachtexemplar restauriert, und läuft und läuft und läuft …

Der „Keks“, wie gemeinhin das bis heute weiter entwickelte Logo der Deutschen Bahn etwas respektlos beschrieben wird, war noch gar nicht kreiert. So prangen an der Front des Schienen-Bullis statt des weltbekannten Firmenzeichens der Wolfsburger nur ganz schlicht die Buchstaben D und B, was seinerzeit „Deutsche Bundesbahn“ signalisierte. Über seinen stählernen Rädern für den Einsatz auf Gleisen zeigt seine Karosserie unverkennbar einen „T 1“: Ein Vertreter der ersten Lastesel-Generation für die Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderjahre der noch jungen Nachkriegsrepublik.

Ein typischer VW mit luftgekühltem Boxermotor wie im Käfer. Zu den bahnspezifischen Anforderungen zählt der Ausbau des Lenkrads – es wird auf der Schiene nicht gebraucht. Zu den sinnvollen Ausstattungsextras gehört eine Hydraulik am Wagenboden. Sie ermöglicht es, mit der Kraft eines einzigen Mannes das Fahrzeug auf der Schiene in die Gegenrichtung zu bringen. Damit ist klar: Der Bulli war kein reines Vergnügen, sondern auch bei der Bahn ein Arbeitspferd. Und zwar für die „Rotten“, wie man damals die Teams der Bahnarbeiter bezeichnete, die draußen an der Strecke die Wartungs- und Reparaturarbeiten ausführten.

Gut zwei Jahrzehnte setzte die Bundesbahn fast 1.000 motorisierte „Nebenfahrzeuge“ ein, berichten historisch ambitionierte Eisenbahnfreunde im Internet. Im bahnamtlichen Abkürzungsdschungel waren die Draisinen als „klv“, als Kleinwagen mit Verbrennungsmotor, registriert. Als sich die DB entschieden hatte, diese Flotte nicht eigens entwickeln zu lassen, sondern kostengünstiger bei der Autoindustrie einzukaufen, spezialisierten sich zwei süddeutsche Firmen darauf, die gummibereiften Transporter schienentauglich zu machen. Wie viele Bullis letztlich geordert wurden, ist im Dunkel der Geschichte nicht mehr zu ermitteln. Nur einige sehr wenige rollten oder parkten abgestellt vor sich hinrostend bis in die Gegenwart – bei Sammlern, in Museen, bei Hobby-Eisenbahnern.

Bei einem von ihnen wurden die Oldtimer-Experten der Nutzfahrzeugsparte von VW fündig. Sie erwarben den „klv 20-5011“, restaurierten ihn liebevoll für ihre Sammlung in Hannover. Und sie schickten ihn stolz wieder auf Tour, die nun eher Vergnügungsreisen als Arbeitseinsätze sind. Auf einem Abschnitt der „Kanonenbahn“ in Thüringen, die in Kaiserzeiten für Militärtransporte gen Frankreich gebaut wurde und heute für Ausflüge mit Draisinen zur Verfügung steht, erlebte der nahezu im Bahn-Rot lackierte Bulli eine friedlich-fröhliche Wiedergeburt mit spektakulär schönen Bildern auf dem 24 Meter hohen und knapp 250 Meter langen Lengenfelder Viadukt.