Die Sachsen-Franken-Magistrale verbindet die sächsischen Großstädte Dresden und Leipzig mit Hof in Franken. Von dort aus bestehen Streckenanschlüsse sowohl in Richtung Nürnberg als auch nach Regensburg. Die Strecke in Richtung Nürnberg spielt heute eine zentrale Rolle für den regionalen Personenverkehr, da die fränkische Metropole über bedeutende Verbindungen in die fränkisch-bayerischen Regionen und bis tief nach Baden-Württemberg verfügt. In Richtung Regensburg wird die Strecke vor allem für den Güterverkehr interessant: Sie könnte eine wichtige Alternativroute zur Verbindung der Seehäfen mit den Alpenpässen darstellen.
Aber es gibt ein Problem: Die Elektrifizierung endet in Hof. Auf fränkischer Seite fehlt die Oberleitung. Das ist ein Hemmschuh sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr. So gibt es im Personenverkehr derzeit keine Direktverbindung zwischen Dresden und Nürnberg über Hof – weder im Regional- noch im Fernverkehr. Der Güterverkehr wiederum kann sein Potenzial, das neben der strategischen Bedeutung als Magistrale auch in der Verbindung des mitteldeutschen Chemiedreiecks mit dem wirtschaftsstarken Bayern liegt, nur unter erschwerten Bedingungen ausschöpfen.
Lokale Verantwortungsträger, wie beispielsweise Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU), haben das Problem erkannt. Ebersberger spricht in diesem Zusammenhang von der „größten Diesel-Insel in Mitteleuropa“. (Quelle: sueddeutsche.de)
Die Elektrifizierung der Strecke ist zwar seit 2013 im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Doch aktuell setzen öffentliche Haushalte andere Prioritäten. Deshalb bleibt diese dringend notwendige Zukunftsinvestition weiterhin ungewiss.
Elektrifizierung bringt Vorteile für Menschen und Wirtschaft
Werden Eisenbahnstrecken elektrifiziert, profitieren alle: Der Energieverbrauch wird effizienter, sauberer und der Betrieb leiser. Gleichzeitig sinken die Betriebskosten, und die Verbindungen werden schneller sowie zuverlässiger. Pendlerinnen und Pendler gelangen häufiger ohne zeitraubende Umstiege schneller zur Arbeit oder zur Universität. Auch die Wirtschaft zieht Nutzen aus einer optimierten Infrastruktur, die den Güterverkehr effizienter und wettbewerbsfähiger macht.
Trotz angespannter öffentlicher Haushalte darf die Elektrifizierung nicht als ein Luxusprojekt betrachtet werden, sondern als ein essenzielles „Generationenprojekt mit langfristigem Nutzen“. Die Modernisierung der Sachsen-Franken-Magistrale ist keine kurzfristige Ausgabe, sondern eine Investition in eine zukunftssichere Infrastruktur, die über Jahrzehnte hinweg positive Auswirkungen entfalten wird. Sie ist vergleichbar mit dem Bau einer Brücke: Anfangs kostenintensiv, aber unverzichtbar, um Regionen zu verbinden und den stetigen Fluss von Menschen und Gütern zu ermöglichen.
Ein Verzicht auf die Elektrifizierung würde bedeuten, Chancen zu verspielen, die unseren Kindern und Enkeln zugutekommen könnten – von umweltfreundlicher Mobilität bis hin zu gestärkter wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt zu investieren, bedeutet, den Grundstein für eine nachhaltige, vernetzte und prosperierende Zukunft zu legen.
VDV fordert: Mehr Tempo bei der Elektrifizierung des Schienennetzes
Der Bund ist bei der Elektrifizierung des Schienennetzes in Deutschland deutlich im Rückstand. Die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beklagen, dass die Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag verankertes Ziel von 75 Prozent Elektrifizierung bis zum Jahr 2030 bei gleichbleibendem Tempo nicht mehr erreichen wird: denn es fehlen noch rund 4.500 Streckenkilometer. Außerdem braucht es aus Sicht beider Verbände eine ehrgeizige Fortschreibung der Ziele, um das Schienennetz resilienter zu machen, Elektrifizierungslücken zu schließen und Engpässe für den Schienengüterverkehr abzubauen. (Quelle: vdv.de)
Links: Schematische Darstellung der Sachsen-Franken-Magistrale.
Rechts: Elektrisch am rechten Niederrhein: Seit 2022 ist auch die Bahnstrecke von Wesel nach Bocholt mit modernen Elektrotriebwagen erreichbar.
Autor: Rob Dammers (Lizenz)
Drei positive Beispiele für Elektrifizierung
Die Bahnstrecke Wesel–Bocholt galt lange als ein klassischer Stilllegungskandidat. In den 1970er Jahren wurde das Angebot auf der
20,4 Kilometer langen Dieselstrecke, die von der elektrifizierten Strecke Oberhausen–Arnhem abzweigt, stark reduziert. Nur noch drei Zugpaare pro Tag bedienten die Strecke, und dies ausschließlich zwischen 5 und 9 Uhr morgens. Den Rest des Tages übernahmen Busse den Parallelverkehr zur Schiene. Zu Beginn der 1980er Jahre sollte der Betrieb vollständig eingestellt werden.
Regionaler Protest verschaffte der Strecke jedoch eine Gnadenfrist. Der Personenverkehr mit Dieselzügen endete zunächst in Wesel, wodurch Reisende fortan in Wesel umsteigen mussten – mit verlängerten Reisezeiten und unsicheren Anschlüssen. Die Stadt Bocholt setzte sich aktiv für den Erhalt der Strecke ein: Sie schenkte der Deutschen Bundesbahn einen Dieseltriebzug unter der Bedingung, dass die Verbindung mindestens bis Ende 1999 betrieben wird. Gleichzeitig optimierte die Stadt den lokalen Busverkehr, um bessere Umsteigemöglichkeiten auf die Bahn zu schaffen.
Diese Maßnahmen zeigten Wirkung: Die Strecke erlebte eine Renaissance. Seit 2022 ist die Bahnstrecke Wesel–Bocholt elektrifiziert, was den Pendler*innen wieder eine umsteigefreie Verbindung in Richtung Oberhausen, Duisburg und Düsseldorf ermöglicht. Die Bahnstrecke hat wieder Zukunft. Und der elektrische Fahrdraht ist das sichtbare Symbol dafür.
Wer von der Bahnstrecke Ulm–Friedrichshafen spricht, hat vermutlich direkt eine ganz bestimmte Melodie im Kopf. Doch die 1850 eröffnete Schwäbische Eisenbahn war 88 Jahre lang zweigeteilt. Die Strecke aus Stuttgart erreichte Ulm bereits 1933 elektrifiziert und ist seither sowohl eine bedeutende Güterverkehrsroute als auch ein zentraler Bestandteil des deutschen Personenfernverkehrsnetzes. Bis 2021 blieb der Abschnitt in Richtung Friedrichshafen Stadt jedoch ohne Elektrifizierung. Für Menschen bedeutet dies ein Umstieg, für Güterverkehr ein Lokwechsel. Beides war zeitaufwendig und teuer.
Seit 2021 ist die Bahnstrecke Ulm–Friedrichshafen elektrifiziert und die Modernisierung schon heute ein voller Erfolg: Im Personenverkehr konnten die Reisezeit deutlich reduziert und die Zugkilometer um 30% ausgeweitet werden. Für den Güterverkehr wird eine Verdoppelung der Leistung prognostiziert, insbesondere der Verkehr nach Österreich schlägt hier zu Buche.
Auch Wirtschaft, Handel und Tourismus profitieren davon: Die Stadt Friedrichshafen und die Bodenseeregion könnten nun durchgängige Fernverkehrsverbindungen z. B. nach Linz, Wien, Frankfurt am Main, Köln und das Ruhrgebiet aufweisen.
Schnelligkeit, Pünktlichkeit und die Fähigkeit, große Mengen effizient zu transportieren – das sind die zentralen Anforderungen im Seehafenhinterlandverkehr, einer der anspruchsvollsten Disziplinen des Güterverkehrs.
Aufwändige Lokwechsel und die damit verbundenen Fahrtunterbrechungen sowie die Risiken für den Betriebsablauf sind dabei hinderlich und passen nicht zum Anspruch moderner internationaler Logistikketten. Daher war es nur konsequent, in der Region Hamburg die Elektrifizierung wichtiger Güterverkehrsstrecken voranzutreiben. Dies ist besonders relevant, da nicht nur der Hamburger Hafen als größter deutscher Seehafen eine Schlüsselrolle spielt, sondern auch zahlreiche kleinere kommunale Häfen sowie der bedeutende Ostseehafen Lübeck und die hafenabhängige Industrie der Region in die Logistikprozesse integriert sind.
Bereits 1973 wurde die 1903 eröffnete Hamburger Güterumgehungsbahn elektrifiziert – das Herzstück des Güterverkehrs in Richtung Norden und Nordosten. Dank dieser Maßnahme konnten Elektrolokomotiven erstmals direkt nach Schleswig-Holstein und Dänemark verkehren, ohne die Hamburger Innenstadt durchqueren zu müssen. Dies trug wesentlich zur Effizienz und Kapazitätssteigerung im hanseatischen Güterverkehr bei.
1998 folgte die Elektrifizierung der Marschbahn bis Itzehoe. Diese Maßnahme kam nicht nur dem regionalen Personenverkehr zugute, sondern brachte vor allem große Vorteile für den Güterverkehr. Über Itzehoe werden unter anderem die Transporte des Hafens Brunsbüttel – spezialisiert auf Chemikalien und Steinkohle – abgewickelt. Zudem befinden sich an der Strecke bedeutende Industrieanlagen wie ein nachfragestarkes Zementwerk und eine wichtige Erdölraffinerie.
2008 wurde die Strecke Hamburg–Travemünde Strand elektrifiziert. Zwar eröffnete dies neue Möglichkeiten für den elektrischen Personenverkehr am beliebten Badeort, der Hauptfokus lag jedoch auf der verbesserten Anbindung des Lübecker Hafenterminals Skandinavienkai. Dadurch konnte die Bahnlogistik von und nach Skandinavien erheblich wettbewerbsfähiger gestaltet werden, was sowohl den Hafenstandort als auch den internationalen Güterverkehr stärkte.
Links: Erfolg der Elektrifizierung: Ein ICE erreicht die Bodenseestadt Friedrichshafen unter Fahrdraht.
Autor: Ursman83 (Lizenz)
Rechts: Volle Power: Moderne Hafenlogistik braucht durchgängige elektrische Strecken.
Autor: Montage Matthias Oomen, Bild Adobe Stocks
Download
VDV-Positionspapier: Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken als Teil der Energiewende, Januar 2022 (PDF)