Zudem steht bei „i2045“ der Netzgedanke im Mittelpunkt: Die Studie listet detailliert auf, welche Umschlagstellen ertüchtigt, wie Engpässe beseitigt, wo Gleisanschlüsse geschaffen und welche Streckenabschnitte elektrifiziert werden können. „Jetzt geht es darum, einfach mal anzufangen“, sagt Werner Faber. „Die Resilienz des gesamten Netzes und das Heben neuer Potenziale sind uns zentrale Anliegen“, ergänzt Julian Kannenberg. Mit Blick auf mögliche Alternativstrecken bei Störungen oder Baustellen zeigt „i2045“ auf, wie mit einer Reihe von vergleichsweise kleinen Maßnahmen das gesamte Netz widerstandsfähiger werden kann.
Die Verlagerung von Gütern auf die Schiene gilt als effizienter Weg, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern. Allerdings eignet sich die vorhandene Infrastruktur nicht, um eine deutliche Verschiebung des Modal Splits zu erreichen. Werner Faber, in dessen Landesgruppe rund 80 Unternehmen des Nahverkehrs und des Schienengüterverkehrs in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt organisiert sind, appelliert an die Politik in Bund und Ländern, auch in Zeiten angespannter Haushalte den Güterverkehr nicht zu vergessen, und fordert mehr Tempo: „Wenn wir nicht sofort in die Wende beim Güterverkehr einsteigen, haben wir keine Chance, die Klimaneutralität bis 2045 auch nur ansatzweise zu erreichen.“
Drei Fragen an
Martin Wischner (Foto), Chef der Havelländischen Eisenbahn (HVLE) und stellvertretender Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Ost, erläutert, worin die aktuellen Herausforderungen für die Güterbahnen liegen.
Welche Botschaft soll „i2045“ in die Politik senden?
» Martin Wischner: Ich finde es wichtig, dass in der Politik ankommt, dass auch die Resilienz des Netzes ein Wert an sich ist. Das Vorhalten einer leistungsfähigen Infrastruktur ist ein Teil der Daseinsvorsorge und damit Aufgabe der öffentlichen Hand. Dankenswerter Weise investiert das Land Brandenburg jährlich einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in die Infrastruktur von nichtbundeseigenen Bahnen. Schön wäre es, wenn wir diesen Betrag weiter steigern könnten. Aber es gibt auch Bundesländer, die in dieser Hinsicht gar nichts machen.
Was meinen Sie konkret mit Resilienz?
» Uns geht es nicht nur darum, wie viele Tonnen an Gütern man über bestimmte Strecken transportieren kann, sondern vor allem um die Widerstandsfähigkeit des Netzes – also um die Umleitungsmöglichkeiten bei Störungen und Bauarbeiten. Wenn es an einem neuralgischen Punkt hakt, ist unter Umständen das gesamte Netz betroffen. Resilienz kann man nicht in Tonnenkilometern messen. Es geht auch um Strecken, die vielleicht nur selten befahren werden. Ein Bürgermeister würde auch keine Straße durch den Wald herausreißen, weil dort vielleicht nur zweimal in der Woche ein Auto fährt.
Inwiefern stellt die Generalsanierung des Netzes vor allem für den Güterverkehr eine Herausforderung dar?
» Beim Personenverkehr sind die Leute nach einem halben Jahr Streckensperrung und Schienenersatzverkehr zwar genervt. Danach geht es aber weiter – in der Regel zuverlässiger als vorher – und die Menschen steigen wieder in die Züge ein. Im Güterverkehr ist das oft anders. Es ist im intermodalen Wettbewerb nicht gottgegeben, dass über die Schiene transportiert wird. Unsere Großkunden sind gezwungen, ihre Werkslogistik zu verändern, wenn wir wegen längerer Sperrungen nicht liefern können. Der Ersatz geht dann nur über die Straße. Weil mit der Werkslogistik nicht nur die Abläufe, sondern beispielsweise auch die Schichtsysteme umgestellt werden müssen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Transporte auch auf der Straße bleiben, wenn die sanierungsbedingte Streckensperrung abgeschlossen ist. Der Kunde, der weg ist, bleibt dann erst mal weg.